Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Bank.“
Auf einmal wirkte Fortunatus weniger zuversichtlich, irgendetwas schien ihn zu verwirren. Wie zum Beweis zog er ein zusammengerolltes Dokument hervor, das Wittiges den Brief in Gedächtnis rief, den er vor wenigen Tagen geschrieben hatte. Hatte das Schreiben seinen Empfänger bereits erreicht? Er hoffte es inständig.
Gästehaus, Scheune, Stall und Waschhaus gruppierten sich um den schmalen, kahlen Hof herum, den man durch das Eingangstor betrat. Die Bank am Gästetrakt lag in der Sonne, und dankbar genoss Wittiges die bereits herbstlich milde Wärme, dabei war es erst Anfang September. Er sehnte sich nach Hause zurück, während gleichzeitig eine furchtbare Ungeduld an ihm zerrte. Würde seine Rechnung aufgehen, und er seine Chance auf Rache für seinen toten Sohn erhalten?
„Was ist das für ein Brief?“, fragte er widerstrebend.
„Ein Schreiben Königin Brunichilds. Sie wünscht mich in Metz zu sprechen.“
Es waren drei eng beschriebene Seiten, die Fortunatus nervös ent- und wieder zusammenrollte.
„Drei Seiten für eine solch kurze Bitte?“
„Es ist nicht der erste Brief, wir korrespondieren bereits länger in dieser Angelegenheit. Ich werde eine Reise antreten. Eine weite Reise. Du hättest nicht Zeit, mich zu begleiten? Es ließe sich bestimmt einrichten, dass du in die Gesandtschaft aufgenommen wirst.“
Wittiges wartete einfach, dass Fortunatus endlich die Katze aus dem Sack ließ. Unterdessen ging er vor der Bank ein wenig auf und ab, denn er fürchtete, von dem zweitägigen Gewaltritt steife Glieder zu bekommen, wenn er sich nicht bewegte.
„Die Königin gedenkt wieder zu heiraten. Ich bin sozusagen der Brautwerber.“
Unvermittelt ließ sich Wittiges wieder auf die Bank fallen, als hätte man ihm die Beine unter dem Leib weggeschlagen. „ Was will sie?“
9
„Wäre nicht Guntram die bessere Wahl?“, fragte Gogo, wusste aber schon, wie die Antwort lauten würde.
„Ich will nicht so enden wie Chariberts Witwe Theudechilde“, antwortete Brunichild nach einer Bedenkpause. „Du weißt, wie Guntram mit ihr umgesprungen ist, als sie ihm nach Chariberts Tod eine Heiratsofferte machte?“
Gogo wusste Bescheid.
Guntram war auf das Angebot von Chariberts Witwe eingegangen, hatte sie mit all ihren Schätzen in Empfang genommen und sie umgehend auf Lebenszeit in ein trostlos abgelegenes Kloster verbannt. Ohne Skrupel hatte er sich ihr gesamtes Vermögen angeeignet. Allerdings hatte er die Frau nicht gemocht, sie stammte nicht einmal aus gutem Haus. Bei Brunichild verhielt es sich anders. Dennoch. Vielleicht hatte sie ja mit ihrer Vorsicht recht, musste Gogo einräumen. Aber warum hatte sie sich diesen Gundowald in den Kopf gesetzt? Von dem wusste man nur, dass er seit vielen Jahren am kaiserlichen Hof in Konstantinopel lebte - als Geisel, wie es hieß - und dass er angeblich ein Sohn König Chlotars war. Jetzt wartete man auf Fortunatus, der die Offerte überbringen sollte, zusammen mit der Zusicherung an den Kaiser, im Krieg gegen die Langobarden Beistand zu leisten. Was diesen Beistand betraf, würde es lange Verhandlungen über den Preis geben.
Aber es war dieser Heiratplan, der Gogo Magenschmerzen bereitete. „Du weißt, dass auch viele im Rat gegen diese Heirat sind“, begann er erneut. Seit Sigiberts Tod fanden im Rat ständig Machtkämpfe statt, das war unvermeidlich. Und mehr als alles andere fürchteten sämtliche Ratsmitglieder eine Einflussnahme von außen auf die Königin. Deshalb hatten sie Merowech abgelehnt und würden mit jedem Nachfolger ähnlich verfahren. Das ständige gegenseitige Belauern, das Buhlen um Einflussnahme begann seltsame Formen zu entwickeln. Brunichild war eben doch nur eine Frau. Während ein König nur ein Machtwort sprach, musste sie schmeicheln und mit Vergünstigungen, Privilegien und Geschenken Hauspolitik machen. Gogo wurde noch unwohler bei dem Gedanken, dass im letzten Jahr mehrfach Lehen eingezogen und neu vergeben worden waren, um angebliche Untreue zu bestrafen und im Gegenzug Gefolgschaften zu festigen. Über zu vielen dieser Maßnahmen schwebte der Verdacht der Willkür. Dadurch wurde das Gesamtgefüge der Gefolgschaft instabil. Aber Brunichild war in dieser Hinsicht unbelehrbar. Vielleicht war ein klar denkender, nüchterner Mann an ihrer Seite tatsächlich die beste Lösung.
„Davon ist mir nichts bekannt“, behauptete Brunichild.
„Dann frag Wandalenus nach seiner wahren Meinung oder besser noch
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