Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
voneinander trennte - für immer. Viola schien ihren Weg gefunden zu haben, deshalb brauchte er ihr nicht mehr auszuweichen. Jetzt spürte er in ihrer Gegenwart nur freundliche Wärme. Außerdem einte sie fast sofort die Sorge um Aletha. Obwohl sie es nicht erwähnte, wusste er, dass sie alles Erdenkliche für die Linderung von Alethas Leiden tat. Und er schämte sich, so lange fortgeblieben zu sein.
Nun war es Zeit, über Felix zu sprechen. Dass er tot war, wussten alle schon, Wandalenus war mit dieser Nachricht und der von Wittiges’ Tod auf casa alba erschienen. Bei der Erwähnung ihres Sohnes glomm neuer Schmerz in Alethas Augen auf, den Wittiges ihr gern erspart hätte. Felix war an einer Krankheit gestorben, teilte er allen mit. Sie begriffen, dass es genauso gut hier hätte geschehen können, denn niemand war gegen die Seuchen, die immer wieder grassierten, gefeit. Das Leben war flüchtig; und unbarmherzig griff der Tod zu, wann immer es ihm passte.
„Alexander hat die Krankheit ebenfalls nicht überstanden. Ich weiß nicht, ob Wandalenus das auch erwähnt hat.“ Wittiges dachte kurz nach. „Und Cniva ist tot.“ Unnötig, mehr dazu zu sagen. Eine Weile hingen alle ihren Gedanken nach. Alethas Hand ballte sich auf der Decke zur Faust. Wittiges griff danach und begann sie behutsam zu streicheln. Alexander und Aletha hatten sich sehr nahegestanden, das hatte er beinahe vergessen. Der Zorn auf seinen Schwager war nun verraucht. Selbst Cniva, der sicherlich schrecklich für seine Verirrungen bezahlt hatte, war er nicht mehr gram. Über Tote sollte man nur Gutes sagen oder denken.
Pontus schlug vor, gemeinsam für die Toten zu beteten, und alle kamen der Aufforderung nach. Wer konnte, kniete nieder, und alle wiederholten die Worte, die er sprach. Es war ein einfaches, schlichtes Gebet, nicht auf Latein, sondern auf Fränkisch, das klang hier und jetzt besonders tröstlich.
Als sie sich wieder erhoben, war heftiges Schluchzen zu hören. Ulf kniete noch, den Körper vom Weinen geschüttelt.
Der Junge war erheblich gewachsen und hatte die kraftvolle Gestalt eines jungen Athleten entwickelt. Die Kindheit hatte er so gut wie hinter sich, sogar die Stimme des Dreizehnjährigen brach bereits. Und nun dieser Rückfall in eine Trostlosigkeit, wie sie nur Kinder in dieser Intensität und Tiefe empfinden können.
Wittiges zog ihn auf die Füße und schloss ihn in die Arme. „Wir werden gemeinsam einen Gedenkstein für Felix errichten, und du darfst bestimmen, was darauf stehen soll.“
Ulf hatte fast Wittiges’ Größe erreicht, es fehlte allenfalls noch eine Handbreit. Er drückte den Kopf des Sohnes an seine Schulter und sah darüber hinweg zu Pontus, der ihn aufmerksam und mit einem kleinen, versonnenen Lächeln beobachtete, sich zum Glück aber eines Kommentars enthielt. Über Ulf werden wir noch reden, verhieß das Lächeln.
Wittiges schob den Jungen ein wenig von sich und legte ihm den Arm um die Schultern.
„Und nun wird es Zeit, Wandalenus klarzumachen, dass ich lebe. Bin gespannt, wie er das aufnimmt. Wer kommt mit mir?“
„Setz dich erst wieder hin“, schlug Chramm vor.
Chramm hatte Gewicht zugelegt und wirkte wie ein zufriedener Ehemann. Der Stolz auf seine junge und trotz der Schwangerschaft strahlend schöne Frau und das zu erwartende Kind stand ihm unübersehbar ins Gesicht geschrieben und zeigte sich in seinem selbstsicheren Verhalten. Chramm war nun ein Mann, dessen Meinung zählte. Nur wenn Wittiges’ Blick etwas länger auf Viola ruhte, zogen sich seine Brauen leicht zusammen. Wittiges beschloss, keinen Anlass zu Eifersucht oder Argwohn zu liefern, weder jetzt noch später.
„Um was zu bereden?“, fragte er und wandte sich an Aletha. „Erzähl mir, was auf casa alba passiert ist. Ich möcht’s gern von dir hören.“
Was geschehen war, hatte ihm Viola als Erste erzählt, noch bevor er die Stiege zu Alethas Zimmer erklommen hatte. Wandalenus war am Abend zuvor mit einem schwer bewaffneten Trupp aufgetaucht, hatte Aletha den Tod ihres Mannes und ihres Sohnes mitgeteilt und ihr versichert, dass er nur zu ihrem Schutz gekommen sei. Und dann hatte er die Herrschaft über das Gut übernommen. Aletha hatte Pontus dazu überredet, sich mit ihr, ihrer Tochter Agnes und deren Magd noch in der Nacht auf Theodos Hof zu flüchten. Ulf hatten sie auf Pontus’ Vorschlag hin ebenfalls mitgenommen, weil er den Weg mehr oder weniger noch im Schlaf fand.
Er wollte Ulf retten, dachte Wittiges
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