Der Hüter des Schwertes
Wie hatte das Schwert ihm erlauben können, es zu ziehen? Es machte keinen Sinn – es sei denn, das Schwert besaß gar keine Magie, und es war alles nur ein Trick, um Jungen und Leichtgläubige zu täuschen. Es war lächerlich. Man konnte verrückt werden, wenn man zu sehr darüber nachdachte.
»Ich werde mich jetzt auf den Weg machen«, sagte Conal verhalten und deutete auf die Tür. »Wenn du nichts dagegen hast?«
»Was?«
»Nun ja, du hast das Schwert, Danir ist tot, und ich muss irgendwohin gehen, wo die Luft für mich besser ist. Zum Beispiel in den Süden von Aviland. Hierzubleiben wird sich wahrscheinlich als fataler Missgriff erweisen. Wenn du nicht von einer tobenden Menschenmenge niedergemacht wirst, dann von Herzog Gello.«
»Herzog Gello?«
»Es waren seine Männer, die das Drachenschwert bei sich hatten. Und selbst ein halbblinder Fährtensucher könnte dessen Spur in dieses Dorf verfolgen. Denk doch nur etwas nach. Wenn er sich die Mühe gemacht hat, das Schwert zu stehlen und verschwinden zu lassen, dann wird es ihm wenig ausmachen, ein paar Räuber auszulöschen.«
»Was hattest du mit dem Schwert vor?«, fragte Martil. Er wusste nur zu gut, dass die Zeit für eine Entscheidung gekommen war, aber er wollte sie so lange wie möglich hinauszögern. Er hatte Antworten zu finden gehofft, aber stattdessen stand er nur vor neuen Fragen. Und er hatte jetzt ein magisches Schwert, dessentwegen das ganze verdammte Land verrückt spielte. Er musste an Pater Nott denken. Hatte der alte Priester das gesehen?
Conal kratzte sich geräuschvoll über seine Bartstoppeln am Kinn. »Also, ich hatte mich noch nicht entschieden. Ferg hatte es verkaufen wollen. Er vermutete, dass dieser Gello fast jeden Preis zahlen würde, um das Schwert zurückzuerlangen. Ich glaubte eher, dass dieser Gello ihm die Eier in den Hals gestopft hätte. Nein, wenn du mich fragst, ist die einzige Person, die wirklich etwas dafür geben würde, die Königin. Aber man müsste ziemlich gerissen sein, um hinter Gellos Rücken an sie heranzukommen.«
Martil dachte scharf nach. Sein Eid war erfüllt, und er konnte jeden Weg einschlagen, der ihm beliebte. Aber was sollte aus Karia werden? Er bezweifelte, dass sie bei ihm bleiben wollte – andererseits, wo sollte sie sonst hin? Dann kam ihm ein erfreulicher Gedanke. Die Königin würde ihm wahrscheinlich zehntausend in Gold bezahlen, um dieses Schwert zurückzubekommen. Damit könnte er eine Pflegefamilie für Karia anheuern. Sie konnte sich von mehreren diejenige aussuchen, die ihr am besten gefiel. Sie verdiente es, glücklich zu sein. Aber was wäre mit ihm? Er dachte an seinen Traum von einem Haus an der nördlichen See. Er lief durch die großen Räume des Hauses, ganz allein, und nur die Schreie der in Bellic getöteten Kinder füllten die Leere. Er schauderte und versuchte, diese Gedanken auszublenden, doch er fühlte sich weiterhin leer.
»Was ist los? Mir ist langweilig«, teilte Karia mit und kam zu Martil herübergetrottet.
»Wir brechen bald auf«, versprach Martil automatisch. Dann dachte er über seine Antwort nach. »Wir könnten einen Ausflug nach Norstalos-Stadt machen. Würde dir das gefallen?«
»Ist das da, wo Pater Nott hingegangen ist?«
»Ja, da ist es. Wir müssen das Schwert loswerden, aber danach können wir ihn vielleicht sogar besuchen.« Und ich werde ein ernstes Wort mit ihm reden, fügte Martil unausgesprochen hinzu.
»Toll! Ich muss ihm sagen, dass es mir gut geht und dass du dich um mich kümmern wirst.«
Martil sah ihr in die großen braunen Augen und fand dort nichts als Aufrichtigkeit. Vor wenigen Tagen hätte ihn diese Vorstellung wahnsinnig gemacht, doch jetzt klang sie komischerweise gut.
»Meinst du das ernst?«, fragte er.
»Natürlich tue ich das. Ich habe nachgedacht. Jetzt ist Onkel Danir ja weg; also werde ich bei dir bleiben. Du kannst mir neue Kleider, noch mehr Puppen und vielleicht ein eigenes Pferd kaufen. Und auch ein paar Hühner, um die ich mich kümmern kann. Wir können Spiele spielen, zum Beispiel Fangen; das spiele ich gerne. Und du kannst mir die Haare bürsten, mir Geschichten vorlesen und mir vielleicht beibringen, wie man liest, und mir Gutenachtlieder vorsingen.«
»Sonst nichts?«, fragte Martil prompt.
»Du kannst auf mich aufpassen.«
Martil spürte eine Welle der Zuneigung und des Glücks. Als Kriegshauptmann waren die Straßen vor ihm mit Rosenblättern bestreut worden. Frauen hatten sich ihm an den Hals geworfen,
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