Der Hüter des Schwertes
Verschlossenheit wurde der Gastwirt etwas lockerer. Schließlich wollte er erfahren, was in Thest geschehen war.
»Danir wird keinen Ärger mehr machen. Er ist tot«, sagte Martil schlicht. »Getötet bei einem Überfall, der nicht nach Plan verlief. Die Überreste seiner Bande sind in alle Winde verstreut. Thest ist jetzt menschenleer.«
»Was? Das sind die besten Neuigkeiten seit Jahren! Aber wie kannst du das mit Sicherheit wissen?« Darrys begeistertes Gesicht zeigte sofort wieder Sorgenfalten, als wäre die Botschaft zu schön, um wahr zu sein.
Martil zögerte einen Augenblick. Er wollte nicht, dass Conal gehängt würde, obwohl der alte Räuber sich den Strick im Laufe der Jahre bestimmt verdient hatte.
»Als ich dort ankam, habe ich mit Danirs Sohn gesprochen. Er hatte eine schwere Bauchwunde und lag im Sterben. Er hat mir erzählt, was geschehen ist«, sagte er mit Bedacht.
Darry starrte ihn voller Überraschung an, jauchzte vor Glück und schlug mit der Faust auf den Tresen.
»Das muss begossen werden«, lachte er. »Wenn dieser Bastard tot und seine Bande von Abschaum verschwunden ist, werden die Kaufleute wieder in hellen Scharen hier durchziehen und viele Münzen dalassen! Verrate mir, ob du etwas mit dem Verschwinden der Bande zu tun hattest!«
Martil hatte nicht vor, den Erzählungen über ihn noch weitere Abenteuer hinzuzufügen, obwohl er den unangenehmen Verdacht hatte, dass Darry so oder so erzählen würde, Kriegshauptmann Martil habe mit seinen rallorischen Söldnern den boshaften Danir ausgelöscht.
»Hatte nichts damit zu tun«, versicherte Martil ihm.
»Großes Glück für dich und das kleine Mädchen – und für mich. Es macht die schlechten Neuigkeiten aus der Stadt beinahe wieder gut!«
»Was für schlechte Neuigkeiten?«, fragte Martil so beiläufig, wie es ging.
»Das Drachenschwert ist noch nicht wieder aufgetaucht. Jetzt ist die Königin seit Tagen nicht mehr gesehen worden, und Herzog Gello hat erklärt, dass das Heer die Ordnung wiederherstellen werde. Er regiert das Land unter Kriegsrecht. Kriegsrecht in Norstalos! Ist das zu glauben? Wenn du mich fragst …« Darry senkte die Stimme. »Herzog Gello versucht, die Macht zu ergreifen.«
Martil versuchte ein zynisches Grinsen zu vermeiden, aber etwas davon musste in seinen Gesichtszügen zu erkennen gewesen sein, denn Darry schnaubte und lehnte sich zurück. »Solche Ereignisse mögen für dich nichts Besonderes sein, aber wir sind hier in Norstalos! Hier gibt es so etwas nicht! Und es wäre nie passiert, hätten wir das Drachenschwert noch.«
»Was ist mit der Königin? Ist sie in Gefangenschaft?«, fragte Martil eindringlich.
Darry prustete. »Sehe ich aus wie ein Barde? Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß und wissen will! Was darf ich euch zum Abendessen bringen?«
Karia hatte das Gespräch über das Kriegsrecht nicht verstanden. Sie hatte größere Sorgen im Kopf. Sobald sie sich hingesetzt hatte, brachte sie zur Sprache, was ihr auf dem Herzen lag.
»Also, wo werden wir leben?«, wollte Karia wissen.
Martil zuckte mit den Achseln. Er plante nicht so weit voraus.
»Wenn die Königin uns mit Geld belohnt, werden wir ein Haus am Meer kaufen. Dann können wir ein paar Tiere halten, Fische fangen, und du wirst in die Schule gehen.«
»Das gefällt mir. Pater Nott hat mir erzählt, dass es Spaß machen kann, auf einem Bauernhof zu leben. Aber mit Paps und meinen Brüdern hat es mir nie Spaß gemacht.«
Martil staunte aufs Neue über die Unverwüstlichkeit von Kindern. Kinder, die einen oder beide Elternteile im Krieg verloren hatten, schafften es, ein neues Zuhause zu finden und wieder zu lachen und zu spielen.
»Aber diese Schule … Was macht man da?«, fragte Karia scharf.
Während Martil es zu erklären versuchte, brachte Darry ihnen das Abendessen. Diese Ablenkung kam gerade recht. Wie immer verzehrte Karia gierig alles, was ihr vorgesetzt wurde, und genehmigte sich dann noch einen Nachtisch in Form eines Apfelkuchens. Er hatte ihre Unersättlichkeit immer für sehr bemerkenswert gehalten, doch an diesem Abend schien ihr ein Mann am Nachbartisch ernsthaft Konkurrenz machen zu wollen. Er war regelrecht in das Wirtshaus getaumelt gekommen und erschöpft auf einen Stuhl gefallen, bevor er seine Mahlzeit bestellt hatte. Er war augenscheinlich nicht viel älter als Martil, ziemlich dünn und hatte die langen, schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Seine Augen waren leuchtend blau, sein Kinn
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