Der Huf des Teufels (German Edition)
ansetzen wollen, jetzt ließ er ihn ganz erstaunt wieder sinken.
»Welcher Täter? Ich dachte, ich hatte einen Unfall.«
Stresser wusste einen Moment lang nicht, was er sagen sollte.
»Sie … einen Unfall? Wie kommen Sie darauf?«
»Na, das hat man mir gesagt. Die Schwester, glaube ich, und Professor Bieler auch. Was meinen Sie mit Täter, Herr Stresser, was ist hier los?«
»An was können Sie sich denn noch erinnern?«
»Ich war mit Ihnen im Büro, und dann …« Plötzlich sah man, dass er sich erinnerte. »Ah, ja, ich …«
Er sprach mit gesenkter Stimme weiter. Den Kaffeebecher umklammerte er wie ein Eichhörnchen.
»Ich bin erpresst worden, Herr Stresser.«
»Das wissen wir.«
»Ich war unterwegs zur Geldübergabe. Ich hatte dreihunderttausend Euro bei mir.«
»Aber hatten Sie nicht schon längst bezahlt? Sara Langensalza hat das ausgesagt.«
»Sara? Sie haben mit ihr gesprochen?«
»Ja, sie hat uns über Ihr Verhältnis aufgeklärt.«
»Oh Gott, das darf meine Frau auf keinen Fall erfahren!« Hofstätter verzog das Gesicht. Er hatte sich zu weit vorgebeugt, und nun fuhr ihm ein Schmerz in den Bauch.
»Ganz ruhig, Herr Hofstätter. Das mit Ihrer Frau hat Zeit. Ich muss im Moment nur wissen, ob Sie den Täter erkannt haben.«
»Ich weiß nicht … das Letzte, an das ich mich erinnere, ist diese Kreuzung. Dann ist alles weg.«
»Sie haben den Wagen in einer Seitenstraße geparkt, sind aber mitten auf einem Feld gefunden worden. Jemand hat auf Sie geschossen.«
Hofstätter blickte erstaunt auf seinen Bauch, der mit einem Verband umwickelt war.
»Angeschossen?«
»Ja! Höchstwahrscheinlich sogar mit Ihrer eigenen Waffe.«
»Tut mir leid, ich weiß das nicht mehr. Ich kann mich an nichts mehr erinnern.« Hilflos saß er da und hielt seinen Kaffeebecher fest.
Stresser seufzte. »Das … kommt schon noch, Herr Hofstätter. Ruhen Sie sich erst mal aus. Es wird alles gut. Ich werde später wiederkommen.«
»Aber was soll ich jetzt tun?«
»Sie könnten es Ihrer Frau sagen. Früher oder später wird sie es erfahren. Das lässt sich nicht mehr vermeiden.«
Hofstätter schloss die Augen und ließ seinen Kopf ins Kissen fallen.
»Gute Besserung erst mal. Ich schicke Ihren Sohn wieder rein«, sagte Stresser und verließ das Zimmer.
Tillmann wartete im Gang vor der Tür. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ich fürchte, Ihr Vater leidet an Amnesie. Er hat keine Erinnerung an den Tathergang. Ich werde gleich mit dem Arzt sprechen. Gehen Sie wieder rein.«
In diesem Augenblick hörte man das Summen des Notrufs. Über Hofstätters Zimmer blinkte eine rote Lampe auf. Stresser und Tillmann stürmten zur Tür und platzten fast gleichzeitig ins Zimmer.
»Was ist?«, rief Tillmann.
Hofstätter saß verzweifelt im Bett.
»Ich hab meinen Kaffee verschüttet«, sagte er und deutete auf die braune Pfütze am Boden, in der der Pappbecher lag.
Vier
Shelly und Sara saßen auf der Couch. Das schöne Essen war ihnen gehörig verdorben worden. Sie schwiegen sich an, und die Zeit wollte und wollte nicht vergehen. Irgendwann brach Sara die Stille.
»Ach, ich hab ja noch ein Geschenk für dich.« Sie sprang auf, lief in ihr Zimmer und kam mit einem kleinen Paket zurück, das in rotes Papier eingeschlagen war. »Hier. Das ist für dich, weil du … na ja, mach’s einfach auf. Ist nur ’ne Kleinigkeit.«
Shelly riss das Papier an der Unterseite auf und zog ein großes gebundenes Buch heraus.
»Das farbige Wilhelm Busch Hausbuch« las sie laut, und ihr Blick blieb auf den beiden Figuren haften, die über dem Titel prangten.
»Da ist die Geschichte von Max und Moritz drin, weißt du noch?«
»Ja. Vielen Dank, Sara.« Sie schlug das Buch auf.
»Hier, gleich die erste Geschichte ist es.« Sara deutete auf die Überschrift.
Shelly blätterte weiter und sah sich die Zeichnungen an. Sie lachte an den Stellen, wo Frau Böck das Bügeleisen auf den Bauch ihres Mannes legt und Onkel Fritz gähnend ins Bett geht.
»Oh«, entfuhr es ihr, als sie sah, wie der Müller die beiden Jungen in die Mühle wirft. »Das ist ja ganz schön …«
»Heftig, oder?«, fragte Sara.
»Ja, heftig.«
Shelly fand es fast unheimlich, dass Sara ihr ausgerechnet jetzt dieses Buch schenkte. Es war wie ein Wink des Schicksals.
»Sara?«
»Mmh?«
»Du willst doch deinem Vater helfen, nicht wahr?«
»Sicher.«
Shelly klappte das Buch zu und ließ es auf ihren Beinen liegen. »Vielleicht kann ich etwas tun, aber ich bräuchte deine
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