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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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wollte Sie fragen, ob Sie diesen Herrn schon einmal gesehen haben?« Kuttlers Stimme klingt belegt.
    Berndorf betrachtet den Mann. Der Blick ist es, denkt er. Daran erkennt man sie als Erstes. Er ist so eindeutig, als würden sie ihre Hundemarke vorzeigen. Aber dieser hat keine Hundemarke. Rausgeschmissen. Ein privater Schnüffler.
    Also ist es der Typ, den Tamar vor seiner Wohnung aufgespürt hat. Lungner, Franz-Josef. Guter Vorname. Passt zur Connection.
    »Habe die Ehre, Kollege«, sagt Berndorf und nickt dem Mann zu. Der reagiert nicht. Berndorf wendet sich wieder Kuttler zu. »Tut mir Leid. Ich sehe ihn jetzt zum ersten Mal.«
    Dann ist er fürs Erste wieder entlassen, Kuttler bittet ihn, draußen Platz zu nehmen. »Für den Fall, dass wir noch eine Frage haben.«
    Ganz korrekt und respektvoll fragt er das und lässt doch keinen Zweifel daran, dass Berndorfs Aussage möglicherweise ebenso ergänzungsbedürftig ist wie die eines x-beliebigen anderen Zeugen.
    Berndorf geht hinaus und setzt sich wieder auf die Bank und lehnt den Kopf gegen die Wand. Das fahle Licht des Korridors drückt ihm auf die Augenlider. Es ist eine merkwürdige Erfahrung, die Innenansicht des Neuen Baus aus dieser Perspektive wahrzunehmen. Wie viele Leute waren wohl auf dieser Bank gesessen und hatten darauf gewartet, dass er – der Kriminalhauptkommissar Hans B. – sie hereinbittet? Mit welchen Gefühlen hatten sie das getan, und welche Verwünschungen hatten sie gegen den ausgestoßen, der sie hier warten ließ, nachts oder zu anderen Stunden?
    Der Schichtführer Polaczek kommt mit einer Thermoskanne vorbei und füllt Berndorfs Becher mit richtigem Kaffee auf, das hat man im Neuen Bau nicht vergessen, dass er keinen Kaffee aus dem Automaten mag, respektvoll tut Polaczek das und doch auch auf seltsame Weise distanziert, als sei Berndorf in einer Eigenschaft anwesend, die sich für jemand vom Fach nicht gehört.
    Um ihn herum ist das nächtliche Getriebe der Ermittlungsarbeit und der Einvernahmen im Gang, das Dezernat arbeitet in voller Besetzung, aber er sieht weder Englin noch einen der Stuttgarter Soko-Leute.
    Wenn schon eine Sonderkommission, dann wäre sie jetzt gefordert. Doch Tamar scheint entschlossen, die Sache in eigener Regie durchzuziehen.
    Morgen wird sie Ärger haben.
    Paco wird vorbeigeführt. Als er Berndorf erkennt, wirft er ihm einen entschuldigenden Blick zu und hebt kurz die gefesselten Hände, als wolle er sagen: Tut mir Leid, alter Mann, vielleicht wär ich doch besser bei Ihnen geblieben…
    Das ist gar nicht gesagt.
    Wenig später kommt Kadritzke an der Bank vorbei, für einen Augenblick bleibt er stehen und wirft Berndorf einen echsenhaften Blick zu. Dann wendet er sich wortlos ab und geht weiter.
    Eine Gegenüberstellung? Kuttler erscheint und erklärt Berndorf, dass er gehen kann.
    »Aber Sie sollten vorerst in Ulm bleiben.«
     
     
    Von der Decke fällt das Licht einer Neonröhre auf Aktenschrank und Schreibtisch und auf die Frau, die Tamar gegenübersitzt. Die Frau hat kurz geschnittes schwarzes Haar, das wie eine Badekappe an ihrem Kopf anliegt. Sie sieht nicht müde aus, sondern nur missvergnügt.
    »Ich habe Sie bereits darauf hingewiesen«, sagt Cosima Autenrieth, »dass Sie kein Recht haben, mich hier festzuhalten.« »Ich habe es verstanden«, antwortet Tamar.
    »Dann werden Sie nichts dagegen haben, wenn ich jetzt gehe.«
    »Einen Augenblick noch«, sagt Tamar. »Ich würde Ihnen gerne noch etwas zeigen.«
    Sie greift sich das Telefon und bittet, ihr aus der Asservatenkammer ein Paket zu bringen. Sie nennt das Aktenzeichen. »Wie Sie meinen«, kommt es über den Tisch. »Aber es ist Nötigung. Und Freiheitsberaubung. Den ganzen Abend bereits.«
    »Das sagten Sie schon. Soll ich Ihnen einen Kaffee bringen?« »Zu freundlich. Aber irgendwann möchte ich in dieser Nacht noch schlafen können.«
    Tamar blickt auf ihre Armbanduhr, die sie auf den Tisch gelegt hat.
    Es geht auf Mitternacht zu.
    Ein spöttischer Blick streift über den Schreibtisch.
    »Was ist das eigentlich, was Sie mir zeigen wollen?«, fragt Cosima Autenrieth. »Nicht, dass es mich wirklich interessieren würde. Aber wenn Sie sich schon so Mühe geben, mit mir Konversation zu machen…«
    »Gedulden Sie sich noch etwas.« Warum kommt dieses verdammte Paket nicht?
    »Wann haben Sie Ihren Vater zum letzten Mal gesehen?« Cosima Autenrieth blickt unverändert. Missvergnügt. Aber wer sieht im schattenlosen Licht einer Neonröhre schon

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