Der Hund des Todes
in ihren Augen und brach ab. Nach einer Weile sagte er: »Sie sind eine außergewöhnliche Frau, Mrs Vole.«
»Und Sie sind hoffentlich zufrieden.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Zimmer.
»Zufrieden? Das ist gut! Die Frau führt etwas im Schilde – aber was? Die Sache ist mir ganz und gar nicht geheuer, John.«
»Eins steht fest«, schmunzelte Mr Mayhew. »Sie hat bestimmt nicht einen hysterischen Anfall nach dem anderen bekommen.«
»Kalt wie eine Hundeschnauze«, gab Sir Wilfrid zu.
»Wenn die als Zeugin auftritt, gibt’s ein Fiasko, besonders wenn Myers als Staatsanwalt fungiert. Wie gedenkst du die Sache zu handhaben?«
»Wie üblich. Dauernd unterbrechen – so viel Einspruch erheben wie möglich.«
»Was ich nicht verstehen kann, ist, dass der junge Vole von ihrer Liebe so überzeugt ist. Er selbst liebt sie wirklich und verlässt sich vollständig auf sie.«
»Dumm genug von ihm. Traue niemals einer Frau!«
2
Sechs Wochen später wurde im Hauptkriminalgericht Old Bailey die Schwurgerichtsverhandlung gegen Leonard Vole eröffnet. Wie stets bei Mordprozessen war der Gerichtssaal bis auf den letzten Platz besetzt. Nachdem die Geschworenen vereidigt waren, wandte sich der Sprecher an den Angeklagten:
»Leonard Vole, Sie stehen unter der Anklage, am vierzehnten Tage des Oktober Emily Jane French in der Grafschaft London ermordet zu haben. Sprechen Sie, Leonard Vole: Sind Sie schuldig oder nicht schuldig?«
»Nicht schuldig«, antwortete Vole mit fester Stimme.
Daraufhin erhob sich Staatsanwalt Myers und begründete die Anklage in einer kurzen Ansprache an den Richter und die Geschworenen. Als er schilderte, wie am Abend des 14. Oktober die Haushälterin Janet MacKenzie unerwartet von ihrem Besuch bei Freunden zurückkehrte, um ein vergessenes Schnittmuster zu holen, und um 21.25 im Wohnzimmer die Stimmen ihrer Herrin und des Angeklagten hörte, wurde er vom Angeklagten unterbrochen, der aufsprang und leidenschaftlich beteuerte: »Das ist nicht wahr! Das bin ich nicht gewesen!«
Der Staatsanwalt nahm von dem Zwischenruf keine Notiz und fuhr fort:
»Janet MacKenzie war überrascht; denn Miss French hatte Leonard Voles Besuch an jenem Abend nicht erwartet. Sie verließ jedoch das Haus wieder, und als sie um 23 Uhr zurückkehrte, fand sie Miss Emily French ermordet vor. Das Zimmer war in großer Unordnung. Ein Fenster war eingeschlagen und die Vorhänge flatterten heftig hin und her. Von Entsetzen erfasst, rief Janet MacKenzie die Polizei an, und am 20. Oktober wurde der Angeklagte verhaftet. Für die Anklage steht fest, dass Miss Emily Jane French am Abend des 14. Oktober zwischen 21.30 und 22 Uhr durch einen Schlag mit einem Totschlägen ermordet und dieser Schlag von dem Angeklagten ausgeführt worden ist. Ich werde nun Inspektor Hearne vernehmen.«
Inspektor Hearne betrat den Zeugenstand. Sobald er vereidigt war, forderte Myers ihn auf, über seinen Befund am Tatort zu berichten.
»Ich stellte fest«, sagte Hearne, »dass Miss Emily French tot war. Sie lag auf dem Gesicht und hatte schwere Verletzungen am Hinterkopf erlitten. Ein Fenster war eingeschlagen und Glasscherben lagen auf dem Fußboden. Später entdeckte ich auch einige Glassplitter draußen unter dem Fenster.«
Diesen Punkt griff Myers auf. »Hat die Tatsache, dass Glasscherben sowohl drinnen als auch draußen vorhanden waren, eine besondere Bedeutung?«
»Das draußen befindliche Glas ließ nicht darauf schließen, dass das Fenster von außen her eingeschlagen worden war.«
»Sie meinen also, dass man das Fenster vom Zimmer aus eingeschlagen hatte und den Eindruck erwecken wollte, als sei es von außen her geschehen?«
Sir Wilfrid sprang auf. »Ich erhebe Einspruch. Mein Herr Kollege legt dem Zeugen die Antwort ja geradezu in den Mund. Er muss sich doch zumindest an die Regeln der Beweisaufnahme halten.«
»Ich werde meine Frage anders formulieren«, erklärte Myers.
»Wenn ein Fenster von außen eingedrückt wird, wo liegen nach Ihrer Erfahrung die Glasscherben?«
»Auf der Innenseite.«
»Was haben Sie ferner unternommen?«
»Wir haben das Haus durchsucht, Aufnahmen gemacht und Fingerabdrücke abgenommen.«
»Was für Fingerabdrücke haben Sie gefunden?«
»Die von Miss French, Janet MacKenzie und Leonard Vole. Sonst keine.«
»Herr Inspektor, haben Sie nach allem, was Sie sahen, den Eindruck gewonnen, dass es sich tatsächlich um einen Einbruch handelt?«
Wieder schnellte Sir
Weitere Kostenlose Bücher