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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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an, sie sollten kommen und Allan Karlsson abholen.
    Aber auf dem Ohr war Bernhard Lundborgs Mitarbeiter taub. Karlsson war austherapiert, jetzt wurden andere Leute kastriert und analysiert. Oh, wenn der Polizeiobermeister wüsste, vor wie vielen Leuten man diese Nation beschützen musste: Juden und Zigeuner, Voll- und Halbneger, Geistesschwache und anderes Kroppzeugs. Dass Herr Karlsson sein eigenes Haus in die Luft gesprengt hatte, qualifizierte ihn nicht für einen weiteren Ausflug nach Uppland. Mit dem eigenen Haus dürfe man doch wohl machen, was man wolle, oder denke der Polizeiobermeister da anders? Wir leben schließlich in einem freien Land, oder?
    Zu guter Letzt legte Krook einfach auf. Gegen diese Großstadtmenschen konnte er nichts ausrichten. Jetzt ärgerte er sich, dass er Karlsson nicht einfach hatte davonradeln lassen, wie es der Mann tags zuvor ja auch vorgehabt hatte.
    So kam es denn, dass Allan Karlsson nach erfolgreichen Verhandlungen am Vormittag wieder auf sein Fahrrad mit dem Anhänger stieg. Diesmal hatte er Proviant für drei Tage dabei und doppelte Decken zum Schutz vor Kälteeinbrüchen. Er winkte Polizeiobermeister Krook zum Abschied – der freilich nicht zurückwinkte –, und dann strampelte er nordwärts davon, denn diese Himmelsrichtung dünkte Allan ebenso gut wie jede andere.
    Bis zum Nachmittag hatte er es schon bis Hälleforsnäs geschafft, was ihm fürs Erste reichte. Er hielt bei einer Wiese, breitete eine Decke auf dem Gras aus und machte sich über seinen Proviant her. Während er eine Schnitte Melassebrot mit Mettwurst kaute, musterte er das Fabrikgebäude, das sich in unmittelbarer Nähe befand. Vor der Fabrik lag ein ganzer Haufen Kanonenrohre. Allan dachte sich, einer, der Kanonen baute, brauchte sicher auch jemanden, der dafür sorgte, dass es richtig knallte, wenn es richtig knallen sollte. Und er wollte ja nicht zum Selbstzweck so weit wie möglich von Yxhult wegfahren. Warum sollte er also nicht einfach in Hälleforsnäs bleiben? Immer unter der Voraussetzung natürlich, dass er hier auch Arbeit fand.
    Der Zusammenhang, den Allan zwischen Kanonenrohren und dem eventuellen Bedarf an seinen speziellen Fähigkeiten herstellte, war vielleicht ein klein wenig naiv. Und doch verhielt es sich genau so und nicht anders. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Fabrikanten, in dem Allan gewisse Teile seines Lebenslaufs geflissentlich unter den Tisch fallen ließ, hatte er eine Festanstellung als Sprengstofftechniker.
    Hier würde er sich wohlfühlen, dachte Allan.
    * * * *
    Die Kanonenherstellung in der Gießerei Hälleforsnäs lief nur noch auf Sparflamme, und die Bestellungen wurden stetig weniger statt mehr. Verteidigungsminister Per Albin Hansson hatte nach dem Ersten Weltkrieg den Militäretat beträchtlich zusammengestrichen, und Gustav V. blieb nichts anderes übrig, als im Schloss zu sitzen und mit den Zähnen zu knirschen. Per Albin, ein analytisch denkender Mann, argumentierte damit, dass Schweden in der Rückschau betrachtet vor dem Krieg tatsächlich besser hätte gerüstet sein müssen, aber dass es auch nichts mehr nützte, jetzt , ganze zehn Jahre später, in die Rüstung zu investieren. Außerdem gab es ja jetzt den Völkerbund.
    Für die Gießerei in Sörmland sahen die Konsequenzen so aus, dass man zum einen der Tätigkeit eine friedliche Ausrichtung gab, zum andern aber auch Arbeitern kündigte.
    Allan allerdings nicht, denn Sprengstofftechniker wie er waren Mangelware. Der Fabrikant hatte kaum seinen Augen und Ohren getraut, als Allan eines Tages vor ihm stand und sich als Experte für Sprengstoffe aller Art erwies. Bis dahin hatte sich der Fabrikbesitzer ganz auf seinen einen Sprengstofftechniker verlassen müssen, was wirklich nicht so gut war, denn der war Ausländer, sprach kaum ein Wort Schwedisch und hatte pechschwarze Haare – und das auch noch am ganzen Körper. Damals hatte er ihn eben notgedrungen einstellen müssen, auch wenn nicht ganz klar war, ob man ihm trauen konnte.
    Allan hingegen beurteilte die Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, und das Gerede eines Professor Lundborg war ihm schon immer ein bisschen seltsam vorgekommen. Er war vielmehr neugierig auf die Begegnung mit seinem ersten Neger, oder auch der ersten Negerin, das war ihm egal. Sehnsüchtig las er die Anzeigen, die Josephine Bakers Besuch in Stockholm ankündigten, aber vorerst musste er mit Estebán vorliebnehmen, seinem weißen, wenn auch dunkel geratenen Arbeitskollegen aus

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