Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
noch ein Stückchen weiterfahren könnte, dass aber Allan wirklich schon zu alt für solche Strapazen sei.
»Ich bin gestern hundert geworden«, merkte Allan mit brüchiger Stimme an.
»Hundert?«, sagte die Frau fast erschrocken. » Ja, hau mir ab! «
Dann schwieg sie einen Moment und schien über die Sache nachzudenken.
»Ach, scheiß drauf «, meinte sie schließlich. »Von mir aus können Sie bleiben. Aber vergessen Sie Ihre dreitausend Kronen. Wie gesagt, ich führ hier kein Hotel, verdammt .«
Benny musterte sie bewundernd. Noch nie hatte er eine Frau innerhalb so kurzer Zeit so viel fluchen hören. In seinen Ohren klang das absolut bezaubernd.
»Wie ist es, schöne Frau«, mischte er sich ein, »darf man den Hund streicheln?«
»Schöne Frau?«, echote sie. »Sind Sie blind, oder was? Aber scheißegal , von mir aus streicheln Sie ihn ruhig. Buster ist ganz brav. Na, meinetwegen können Sie jeder ein Zimmer im ersten Stock haben, hier ist jede Menge Platz. Die Betten sind frisch bezogen, aber Vorsicht, auf dem Boden ist Rattengift ausgelegt. In einer Stunde gibt’s Essen.«
Sie ging an den Gästen vorbei zum Stall. Buster trottete ergeben rechts neben ihr her. Als Benny ihr nachrief, ob die schöne Frau denn auch einen Namen habe, antwortete sie, ohne sich umzudrehen, sie heiße Gunilla, finde aber, dass »schöne Frau« gut klinge, also könne er sie verdammt noch mal ruhig weiter so nennen. Benny versprach es.
»Ich glaube, dass ich mich soeben verliebt habe«, sagte Benny.
»Und ich weiß , dass ich müde bin«, sagte Allan.
In diesem Augenblick tönte ein Gebrüll aus dem Stall, dass sogar der todmüde Allan erschrocken die Augen aufriss. Der Schrei musste von einer sehr großen, möglicherweise gequälten Kreatur stammen.
»Jetzt tröt hier nicht so rum, Sonja«, rief die Schöne Frau. »Ich bin doch schon unterwegs, verdammte Axt .«
7. KAPITEL
1929–1939
Die Hütte in Yxhult bot keinen schönen Anblick. In den Jahren, die Allan in Professor Lundborgs Obhut zugebracht hatte, war alles zugewuchert. Stürme hatten die Dachziegel heruntergerissen, die jetzt überall auf dem Boden verstreut lagen. Aus irgendeinem Grund war das Plumpsklo umgekippt, und ein Küchenfenster war offen und schlug im Wind hin und her.
Allan stellte sich zum Pinkeln vors Haus, da er ja vorerst kein funktionstüchtiges Klo mehr hatte. Dann ging er hinein und setzte sich in seine staubige Küche. Das Fenster ließ er offen. Obwohl er Hunger hatte, widerstand er dem Impuls, in die Speisekammer zu schauen. Er war ziemlich sicher, dass der Anblick ihn nicht froh machen würde.
Hier war er geboren und aufgewachsen, aber zu Hause war ihm noch nie so fern vorgekommen wie in diesem Augenblick. Vielleicht war es einfach an der Zeit, die Bande mit der Vergangenheit zu kappen und stattdessen vorwärtszugehen? Ja, ganz sicher.
Er suchte ein paar Stangen Dynamit zusammen und traf die notwendigen Vorkehrungen, bevor er seinen kleinen Fahrradanhänger mit den paar einigermaßen wertvollen Gegenständen belud, die er sein Eigen nannte. Am 3. Juni 1929 radelte er im Morgengrauen los und ließ Yxhult und Flen hinter sich. Der Sprengsatz detonierte wie geplant nach exakt einer halben Stunde. Die Hütte in Yxhult flog in die Luft, und die Kuh des nächsten Nachbarn erlitt noch eine Fehlgeburt.
Wieder eine Stunde später saß der verhaftete Allan auf dem Polizeirevier in Flen und verzehrte sein Abendbrot, während er sich von Polizeiobermeister Krook ausschimpfen ließ. Die Polizei in Flen hatte gerade einen Streifenwagen bekommen, weswegen sie den Mann schnell fassen konnten, der gerade seine eigene Behausung in Schutt und Asche gelegt hatte.
Diesmal war die Anschuldigung klarer als letztes Mal.
»Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung von Bauwerken«, verkündete Krook mit Respekt einflößender Stimme.
»Könnten Sie mir wohl mal das Brot reichen?«, bat Allan.
Das konnte Polizeiobermeister Krook nicht. Stattdessen begann er, seinen Assistenten zu beschimpfen, der sich dazu hatte hinreißen lassen, dem Delinquenten auf dessen Bitte ein Abendessen zu bringen. Unterdessen hatte Allan fertig gegessen und ließ sich in dieselbe Zelle führen wie beim letzten Mal.
»Sie hätten nicht zufällig eine Zeitung rumliegen?«, fragte Allan. »So als Bettlektüre?«
Statt einer Antwort machte Polizeiobermeister Krook das Licht aus und knallte die Tür zu. Am nächsten Morgen rief er sofort »dieses Irrenhaus« in Uppsala
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