Der Hypnosearzt
bringen. Die klopfen mit dem Zeigefinger an die Wand, schicken den Chauffeur in die Hölle und sorgen für 'nen kleinen Schock. Bei uns in Moskau läuft das schon direkter. Lindner wird nicht umgelegt, er ist ja noch ganz brauchbar für Le Coq , solange er funktioniert. Das ist die Rechnung.«
B: »Und jetzt?«
A: »Jetzt, Oleg, geh ich ins Bett. Und du auch. Und morgen reden wir weiter …«
Der Rest der Seite war frei. Da stand nur: Ende des Gesprächs: 1 Uhr 45.
Ende des Gesprächs? – Sekundenlang saß Stefan, ohne sich zu rühren. Dann wurde er sich der Situation bewußt, schrak zusammen, steckte die Blätter hastig in ihr Kuvert zurück, löschte das Licht und ging.
Die Tür ließ er so angelehnt, wie er sie vorgefunden hatte …
Von der Telefonkabine aus konnte Stefan die Hälfte der Flughafenhalle überblicken. Er war froh um diese Glastür; er brauchte sie. Und es hatte ihn zwanzig Minuten des Umherirrens gekostet, eine freie Telefonzelle zu finden. Selbst vor den Außentelefonen stauten sich die Leute. Der Flughafen von Nizza war kein Flughafen mehr, er war zu einer chaotischen Hölle für Touristen wie für das Personal geworden. Was verfügbar war und fliegen konnte, schien dazu verdammt, Menschen an die Côte d'Azur zu karren.
Stefan blickte auf seinen Gepäckwagen vor der Kabine. In letzter Sekunde hatte er einen kleinen Lavendelstrauch aus dem Garten der Villa Wilkinson gerupft und in eine Plastiktüte gesteckt. Die Tüte ragte aus seinem Kleidersack, und Bergmann fragte sich, ob der Lavendel in Burgach anwachsen würde. Er hoffte, diese kleine Handvoll duftendes grünes Mittelmeerleben würde Christa eine Freude machen. Doch was sollte er ihr sonst erklären?
Nun gab es nur noch dieses Gespräch zu führen.
Wieder tippte Stefan die Nummer von Le Castelet ein.
Beim ersten Mal hatten seine Nerven versagt, und die Verbindung war nicht zustande gekommen. Jetzt wurde abgehoben. Sein Herz schlug schneller.
»Ja?«
»Maria? Hier ist Bergmann.«
»Stefan? Wirklich? Stefan!« Ihre freudige Reaktion bedrückte ihn. Er hatte viel Zeit gehabt, sich dieses Gespräch zurechtzulegen, während Benthoff, der Chauffeur, ihn über die von Touristen überfüllten Straßen hierherfuhr, doch Bergmanns Stimmung war zu niedergeschlagen. Nur eines wußte er: Über den wahren Grund, über die Abhörprotokolle, die er heute morgen in dieser seltsamen Überwachungszentrale in den Büros der Villa gefunden hatte, würde er schweigen.
»Stefan, wo sind Sie denn?«
»Auf dem Flughafen. In Nizza.«
»Wo?« Ungläubig kam es, beinahe erschrocken.
»Ich wollte Sie noch einmal anrufen, Maria. Meine Maschine geht in einer halben Stunde. Ich fliege zurück nach Hause … Mit Thomas konnte ich nicht sprechen. Er hatte irgendwo zu tun, und ich wußte nicht, wo. Es ist mir natürlich völlig klar, daß mein Verhalten unmöglich ist. Ich habe Thomas daher einen Brief geschrieben und mich entschuldigt. Er wird meine Abreise wahrscheinlich trotzdem nicht verstehen.«
Er hatte die letzten Sätze immer schneller gesprochen, als müsse er gegen das Schweigen am anderen Ende der Leitung ankämpfen. Als er jetzt Luft holte, war es noch immer da, dieses Schweigen. Stefan glaubte, Marias Atem zu vernehmen, und schloß mit einem erschöpften: »Es geht nicht anders, Maria. Leider … Glauben Sie mir. Ich komme mir ziemlich schäbig vor gegenüber all der Großzügigkeit, die ich hier empfangen habe. Aber trotzdem – ich kann nicht anders. – Sind Sie noch da?«
»Ja.«
»Maria … Ich habe mir inzwischen Gedanken über Ihre Freundin gemacht …«
»Ja? Das ist nicht so wichtig.«
»Ich kann begreifen, daß Sie enttäuscht sind.«
»Auch darum geht es nicht.« Ihre Stimme klang nun leise und ruhig. »Es geht um Sie.«
»Die Klinik wird auch ohne mich …«
»Geben Sie Ihr Ticket zurück, Stefan«, unterbrach sie ihn. »Und bleiben Sie, wo Sie sind. Gehen Sie ins Restaurant, ich setz mich in den Wagen … Nein, die Fahrt dauert zu lange. Hören Sie, Stefan!« Die Worte kamen mit klarer Eindringlichkeit, so sicher, als sei ein Widerspruch nicht möglich. »Ich kenne ein sehr hübsches Hotel. Es liegt ziemlich nah am Flughafen. Dort warten Sie auf mich. Sie können schließlich auch eine spätere Maschine nehmen. Wieso, um Himmels willen, wollen Sie jetzt nach Hause fliegen?«
»Ich habe doch gestern schon versucht, es zu erklären.«
»Das haben Sie nicht. Und Ihre Praxis ist geschlossen. Sie haben Ferien.«
»Ja, Maria
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