Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Andererseits konnte er sich auch nicht länger gegenüber dem Hotel Aradus im Laubwerk verstecken und untätig bleiben. Die Zeit verstrich, und der Kontaktmann des Mahdi erwartete die Marionette Asra, den jüngst ›gekrönten‹ Prinzen der Terroristen, am Treffpunkt. Ihm selbst war jetzt alles klar. Man hatte ihn enttarnt, entweder durch den Zwischenfall auf dem Flugplatz oder eine undichte Stelle in Maskat – die völlig verängstigten Männer aus der Vergangenheit, mit denen er gesprochen hatte, Männer, die es, anders als Mustafa, abgelehnt hatten, sich mit ihm zu treffen, und ihn vielleicht verraten hatten, um ihre eigene Haut zu retten; schließlich hatte einer von ihnen aus demselben Grund Musty getötet. »Wir können uns da nicht hineinziehen lassen! Es ist Wahnsinn. Unsere Familien sind tot. Unsere Kinder geschändet, verstümmelt – tot.«
Die Strategie des Mahdi zeichnete sich sehr deutlich ab: den Amerikaner isolieren und darauf warten, daß Asra allein zum Treffpunkt kommt; den jungen Mörder kassieren und auf diese Weise die Falle unschädlich machen, denn ohne den Amerikaner funktioniert sie nicht; übrig bleibt ein entbehrlicher, vogelfreier
Palästinenser... Sie würden ihn eliminieren, doch erst nachdem er ihnen haarklein erzählt hatte, was in Maskat passiert war.
Wo war Asra? Siebenunddreißig Minuten waren vergangen, seit sie miteinander telefoniert hatten; der Araber hatte sich schon um zweiunddreißig Minuten verspätet. Kendrick schaute noch einmal auf die Uhr und fluchte leise, aber wütend vor sich hin. Er mußte fort von hier, irgend etwas tun. Mußte feststellen, wo Asra steckte, denn ohne ihn gab es auch keine Falle für den Mahdi. Der Kontaktmann würde sich keinem Fremden zu erkennen geben. So nah war er seinem Ziel gewesen. Und, im Licht der Realität besehen, so fern.
Kendrick warf die Plastiktüte mit den frisch gereinigten Sachen aus Maskat in das dichte Gebüsch, das den Gehsteig von Wadi Al Ahd begrenzte. Er überquerte den Boulevard und ging auf den Lieferanteneingang des Hotels zu, ein aufrechter, arroganter königlicher Gardist, der einen besonderen Auftrag zu erledigen hatte. In der schmalen, kopfsteingepflasterten Passage traf er mehrere Angestellte, die Dienstschluß hatten. Sich tief vor ihm verneigend, huschten sie hastig an ihm vorbei und hofften ganz offensichtlich, nicht angehalten und nach der Kleinigkeit durchsucht zu werden, die sie im Hotel gestohlen hatten; hauptsächlich Seife, Toilettenpapier und Teller mit Speisen von den Mahlzeiten der Gäste aus dem Westen, die entweder noch an den Auswirkungen der Zeitverschiebung litten oder so betrunken waren, daß sie nicht mehr wußten, was sie aßen. Das war gang und gäbe; Kendrick kannte das Hotel, deshalb hatte er es auch ausgesucht. Und wieder kam Emmanuel Weingrass ins Spiel. Er und sein unberechenbarer Freund waren einmal durch die Küche aus dem Hotel geflüchtet, weil ein Stiefbruder des Emirs gehört hatte, daß Weingrass einer Stiefschwester der königlichen Hoheit die amerikanische Staatsbürgerschaft versprochen hatte, wenn sie mit ihm schliefe – ein Versprechen, das Weingrass nie erfüllen konnte.
Kendrick ging durch die Küche, kam zur südlichen Treppe und stieg vorsichtig in die zweite Etage. Er holte seine Pistole unter der scharlachroten Uniformjacke heraus und öffnete die Tür. Der Korridor war leer. Um diese Zeit amüsierten sich die finanzkräftigen Besucher von Bahrein in Cafes und versteckten Spielkasinos. Kendrick schob sich seitlich an der linken Wand
entlang und blieb neben der Tür von Zimmer 202 stehen. Er horchte; alles war still. Er klopfte leise.
» Udkhulu «, sagte eine ruhige Stimme auf arabisch. »Kommt nur herein.«
Seltsam – ganz falsch, dachte Kendrick, als er nach der Klinke griff. Warum die Mehrzahl, warum mehr als einer? Er drückte die Klinke hinunter, tauchte seitlich weg, preßte sich an die Wand und stieß die Tür mit dem rechten Fuß auf.
Stille. Als sei der Raum eine leere Höhle. Kendrick umfaßte die ihm nicht vertraute, unerwünschte, aber notwendige Waffe fester, glitt um den Türrahmen herum und trat ein. Was er zu sehen bekam, ließ ihn vor Entsetzen erstarren. Asra lag wie ein Bündel alter Lumpen dicht an der Wand, und aus seinem Hals ragte ein Messer. Die Augen weit aufgerissen, noch immer aus der Halswunde blutend.
»Dein Freund, das Schwein, ist tot«, sagte die ruhige Stimme hinter ihm.
Kendrick fuhr herum und sah vor sich einen jungen Mann,
Weitere Kostenlose Bücher