Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Ghaddafis Libyen. Aus Europa hört man, daß man dort wieder anfängt zu bauen, und ich habe die Absicht, mitzumischen.«
»Sie haben Ihre Firma verkauft«, sagte der große Berater mit dem sportlichen Hemd und dem sonnengebräunten Gesicht.
»Ein Zwangsverkauf. Sie war das Fünffache wert. Aber das ist kein allzu großes Problem für mich. Die westdeutsche, französische und japanische Konkurrenz mit ihrem Kapital werden mir am Anfang etwas zu schaffen machen, doch meine Kontakte sind mindestens ebenso weitreichend wie die der anderen. Außerdem...« Kendrick spielte sein Szenarium mit unterkühlter Überzeugung durch, erwähnte flüchtig seine Beziehungen zu Königshäusern und Ministern von Oman, Bahrein, Abu Dhabi und Dubai, erwähnte Schutz und Unterstützung, die ihm während der Maskat-Krise von den Regierungen von Oman und
Bahrein gewährt worden waren. Dann hörte er ebenso unvermittelt zu sprechen auf, wie er begonnen hatte. Er hatte ihnen so viel Material vorgegeben, daß sie jetzt selbständig weiterdenken konnten. Mehr wäre vielleicht zuviel gewesen.
Bollingers Männer sahen sich gegenseitig an, dann nickte der Vizepräsident kaum merklich, und der Dicke im marineblauen Blazer ergriff das Wort. »Mir scheint, daß Ihre Pläne schon sehr weit gediehen sind. Was wollen Sie dann mit einem Job, der Ihnen hundertfünfzigtausend im Jahr einbringt. Und vergessen Sie nicht die vielen Diners, bei denen es meistens nichts anderes gibt als Huhn in irgendeiner Form. Sie sind kein Politiker.«
»In meinem Alter könnte der Zeitfaktor noch sehr reizvoll sein. In fünf Jahren bin ich noch immer in den Vierzigern, und so wie ich die Dinge sehe, hätte ich, wenn ich morgen drüben neu anfinge, eine Durststrecke von zwei bis drei Jahren vor mir. Vielleicht wären es auch vier, da gibt es keine Garantien. Wähle ich aber den anderen Weg und lasse mich nominieren, bekomme ich den ›Job‹ vielleicht sogar – was nicht gegen Sie spräche, Mr. Vice President. Ich hätte es einzig und allein der Popularität zu verdanken, die ich mit Hilfe der Medien erlangt habe.«
Als ein paar seiner Mannen anfingen durcheinanderzureden, hob Bollinger die Hand, nur ein paar Zentimeter über die Armlehne seines Sessels. Es genügte, um sie zum Schweigen zu bringen. »Und, Herr Abgeordneter?«
»Nun, ich denke, das ist doch ziemlich offensichtlich. Niemand bezweifelt ernsthaft, daß Jennings die Wahl gewinnen wird, obwohl er ein paar Probleme mit dem Senat hat. Hätte ich das Glück, auf der Wahlliste zu stehen, dann adieu, Repräsentantenhaus. Der Stuhl des Vizepräsidenten wäre mir sicher. Ich würde meine Zeit darauf absitzen und wäre hinterher ein gemachter Mann. Mir stünden unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung, und mein Einfluß wäre genauso groß. Das könnte ich auf einem anderen Weg nie erreichen.«
»Das, Herr Abgeordneter«, rief ein junger dritter Assistent empört, »ist glatter Mißbrauch eines öffentlichen Amtes für persönliche Zwecke!«
»Wenn ich nicht glaubte, daß Sie sich einer solchen Ausdrucksweise bedienen, weil Sie nicht verstehen, was ich meine, wäre ich tödlich beleidigt«, erwiderte Kendrick ruhig. »Ich stelle nur eine ganz offensichtliche Tatsache fest, weil ich zu Vizepräsident
Bollinger, einem Mann, den ich zutiefst respektiere, rückhaltlos offen sein möchte. Was ich gesagt habe, ist die Wahrheit; aber wenn ich die Vorteile wahrnehme, die sich später daraus ergeben, heißt das doch nicht, daß ich mich dem Amt nicht mit ganzer Energie widmen oder es an Hingabe fehlen lassen würde, solange ich ein Diener der Nation bin. Kein Vizepräsident der Vereinigten Staaten, der sein Amt auf die leichte Schulter nimmt, käme je in den Genuß der Privilegien, die seine Stellung ihm bietet. Wie Vizepräsident Bollinger könnte ich mir selbst nicht mehr in die Augen sehen, wenn ich meine Pflichten nicht ernst nähme.«
»Das haben Sie sehr schön gesagt, Evan«, erklärte der Vizepräsident und warf dem übereifrigen Assistenten einen bösen Blick zu. »Wir schulden Ihnen eine Entschuldigung.«
»Ich entschuldige mich«, sagte der junge Mann. »Sie haben natürlich recht. Als ehemaliger Vizepräsident genießt man ein viel höheres Ansehen als der Durchschnitt.«
»Seien Sie nicht allzu zerknirscht«, erwiderte Kendrick lächelnd. »Loyalität gegen seinen Boß braucht man nie zu bedauern.« Er wandte sich an Bollinger. »Sollte er zufällig den Schwarzen Gürtel haben, verschwinde ich lieber
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