Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
so was Ähnliches wie das, was Sie mit den Arabern gemacht haben?«
»Emilio?« fragte Evan und überhörte die Frage. »Wie geht es ihm?«
»Dem Mex?«
»Meinem Freund... dem Mann, der mir das Leben gerettet hat.«
»Er liegt direkt neben Ihnen. Wir haben ihn eben heraufgeholt.«
»Wie geht es ihm?«
»Schlechter als Ihnen – viel schlechter. Bestenfalls hat er eine Chance von vierzig Prozent, Herr Abgeordneter. Wir fliegen so schnell wie möglich zum Krankenhaus des Stützpunkts zurück.«
Kendrick stützte sich auf den Ellbogen und schaute hinunter auf die ausgestreckte, bewußtlose Gestalt, einen halben Meter
hinter dem Arzt. Der Arm des Mexikaners lag auf dem Boden, das Gesicht war aschgrau, fast schon einer Totenmaske ähnlich. »Geben Sie mir seine Hand«, befahl Evan. »Geben Sie sie mir!«
»Ja, Sir«, sagte der Arzt, langte hinüber und zog Emilios Hand hoch, so daß Kendrick sie ergreifen konnte.
»El Descanso!« schrie Evan. »El Descanso und deine Familie – deine Frau und die niños ! Du Scheißkerl, stirb mir ja nicht weg! Du blöder Hund von einem bescheuerten Fischer, krieg ein bißchen Mumm in die Knochen!«
» Cόmo? « Die Hand des Mexikaners wedelte hin und her, als Kendrick fester zupackte.
»Das ist schon besser, amigo. Denk dran, wir sind wütend. Wir wollen wütend bleiben. Du kommst durch, du Scheißer, oder ich mach’ dich eigenhändig kalt. Comprende? «
Emilio wandte Kendrick den Kopf zu und machte die Augen einen Spaltweit auf. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen. »Du glaubst, du kannst so einen starken Fischer umbringen?«
»Wetten?... Vielleicht schaffe ich das wirklich nicht, aber ich kann dir ein großes Boot kaufen.«
»Sie sind loco , Señor«, röchelte der Mexikaner. »Aber ich habe ja El Descanso.«
»Drei Ranches«, sagte Kendrick. Seine Hand fiel nach unten; die Spritzen des Navy-Arztes begannen zu wirken.
Die stattlichen Limousinen fuhren hintereinander durch die dunklen Straßen von Cynwid Hollow auf den Landsitz an der Chesapeake Bay zu. Während es sonst immer vier solche Fahrzeuge gewesen waren, fehlte heute eines davon. Es gehörte einer Firma, die Eric Sundstrom, der Verräter von Inver Brass, gegründet hatte.
Die Mitglieder setzten sich an den großen runden Tisch in der hinreißenden Bibliothek. Vor jedem stand eine Messinglampe. Alle Lampen auf dem Tisch brannten, bis auf eine, und das war diejenige, die vor einem fünften, leeren Stuhl stand. Vier Lichtkegel beschienen das polierte Holz, der fünfte fehlte nicht, um dem Tod die Ehre zu geben – statt dessen vielleicht, um an die menschliche Schwäche in einer nur allzu menschlichen Welt zu gemahnen. In dieser Nacht gab es keine witzige Konversation, kein Gehänsel zur Erinnerung daran, daß sie alle
trotz ihres riesigen Reichtums und Einflusses auch nur Sterbliche waren. Der leere Stuhl reichte.
»Sie kennen die Tatsachen«, sagte Samuel Winters, das Adlerprofil in Licht getaucht. »Jetzt bitte ich um Ihre Kommentare.«
»Ich habe nur einen«, stellte Gideon Logan energisch fest, den großen schwarzen Kopf im Schatten. »Wir können nicht aufhören, denn die Alternative ist zu verheerend. Die losgelassenen Wölfe werden die Regierung übernehmen – auch noch das, was sie sich noch nicht unter den Nagel gerissen haben.«
»Aber da ist doch gar nichts, womit wir aufhören könnten«, stellte Margaret Lowell richtig. »Der arme Milos hatte doch in Chicago alles in die Wege geleitet.«
»Er war noch nicht fertig, Margaret«, sagte Jacob Mandel, der wie gewohnt neben Winters saß. »Jetzt geht es um Kendrick selbst. Er muß die Nominierung annehmen, muß dazu überredet werden. Ihr werdet euch daran erinnern, daß Eric das Thema zur Sprache gebracht hat, und jetzt frage ich mich, warum. Er hätte Kendrick in Ruhe lassen müssen, denn das könnte unsere Achillesferse sein.«
»Sundstrom war wie immer von seiner unersättlichen Neugier besessen«, sagte Winters traurig. »Von derselben Neugier, die ihn zum Verrat an uns bewogen hat, als es um das Wettrüsten im All ging. Aber das ist keine Antwort auf Jacobs Frage. Unser Kongreßabgeordneter könnte weglaufen.«
»Ich bin mir nicht sicher, daß Milos das Problem für derart schwerwiegend gehalten hat«, dachte Rechtsanwältin Lowell laut und beugte sich vor, den Ellbogen auf den Tisch gestützt, die ausgestreckten Finger an der rechten Schläfe. »Es ist unwichtig, ob er das tatsächlich gesagt hat, aber er hat durchblicken lassen, daß
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