Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
töten. Was habe ich getan? Ich muß hier raus! Muß weg...
Kalaila drehte am Steuer, nur widerwillig folgte der schwere Wagen den Lenkbewegungen auf dem weichen, sandigen Boden, holperte über die ausgefahrenen Furchen der primitiven Straße, wendete und fuhr den Weg, den er gekommen war, wieder zurück. Kalaila trat das Gaspedal ganz durch, schaltete das Fernlicht ein und raste nur wenige Augenblicke später an der Limousine vorüber, die ihr jetzt entgegenkam. Eine Gestalt neben dem erstaunten Fahrer versuchte sich zu bücken, Gesicht und Körper zu verstecken, aber das war unmöglich.
Und Kalaila traute ihren Augen nicht.
Doch dann blieb ihr nichts anderes übrig. Sie hatte den Mann ganz deutlich erkannt. Tony. In dem Wagen saß der fummelnde, stotternde, immer um Worte verlegene Tony MacDonald. Der Überflüssige mit der sicheren Stellung, weil die Firma dem Vater seiner Frau gehörte, der aber trotzdem nach Kairo abgeschoben worden war, weil er dort den geringsten Schaden anrichten konnte – ein Repräsentant ohne Aufgabengebiet, nur gut genug, als Gastgeber bei Dinnerpartys zu fungieren, wo er und seine ebenso linkische, langweilige Frau sich regelmäßig betranken. Es war, als habe man ihnen ein Firmenmemorandum auf die Stirn tätowiert: Keine Einreise nach Britannien, es sei denn anläßlich obligatorischer Familienbegräbnisse. Rückflugtickets sind zwingend vorgeschrieben. Wie unglaublich raffiniert. Der übergewichtige, verhätschelte, geistig minderbemittelte Fatzke im eleganten Zwirn, der seine Exzesse aber auch nicht mehr kaschieren konnte. »Scarlet Pimpernel« hätte sich nicht besser tarnen können, und es war Tarnung, davon war Kalaila überzeugt. Dadurch, daß sie sich selbst eine übergestreift hatte, hatte sie einen Meister gezwungen, die seine preiszugeben.
Sie versuchte zurückzudenken, zu rekonstruieren, wie er sie in die Falle gelockt hatte, aber da sie damals nicht darüber nachgedacht hatte, war jetzt alles zu verwischt. Sie hatte keinen Anlaß gehabt zu bezweifeln, daß der Schluckspecht Tony MacDonald bei der Vorstellung, ohne landeskundige Begleitung nach Oman reisen zu müssen, völlig außer sich geraten war. Er hatte ihr ein paarmal fast zitternd vorgejammert, seine Firma habe Konten in Maskat, und man erwarte von ihm, daß er sie prüfe, trotz der Greueltaten, die tagtäglich in der Stadt passierten. Sie hatte ihm – wiederholt – beschwichtigend erklärt, es handle sich im Grunde um ein Problem der Vereinigten Staaten und der Israelis und nicht um ein britisches, und deshalb werde ihm nichts zustoßen. Es war, als habe er erwartet, daß man sie hinschicken werde, und als sie den Befehl bekam, erinnerte sie sich seiner Ängste und rief ihn an, weil sie der Meinung war, er sei für sie geradezu der ideale Begleiter nach Oman. Absolut ideal.
Mein Gott, dachte sie, über was für ein Nachrichtennetz muß er verfügen! Vor etwas über einer Stunde hatte er angeblich stockbetrunken in einer Hotelbar randaliert, und jetzt fuhr er, um fünf Uhr morgens, in einer abgedunkelten großen Limousine hinter ihr her. Eine Schlußfolgerung war unvermeidlich: Er hatte sie rund um die Uhr beobachten lassen und ihre Verfolgung aufgenommen, als sie den Palast verlassen hatte, was bedeutete, daß seine Informanten ihre Verbindung zum Sultan von Oman aufgedeckt hatten. Doch für wen spielte der clevere MacDonald seine Scharade, wieso verfügte er über ein gut eingespieltes omanisches Agentennetz, wer stellte ihm in diesem belagerten Land, in dem jeder Ausländer unter die Lupe genommen wurde, Tag und Nacht schwere, schnelle Wagen samt Fahrern zur Verfügung? Auf welcher Seite stand er? Und wie viele Jahre spielte, wenn es die falsche Seite war, der allgegenwärtige Tony MacDonald schon sein mörderisches Spiel?
Wer stand hinter ihm? Hatte der Aufenthalt dieses undurchsichtigen Engländers in Oman etwas mit Evan Kendrick zu tun? Achmad hatte sich über den Geheimauftrag des amerikanischen Kongreßabgeordneten sehr vorsichtig und allgemein geäußert. Er hatte nur preisgegeben, daß der frühere Bauingenieur glaubte, der blutige Überfall auf die Botschaft könne von einem
Mann angezettelt worden sein, der vor fünf Jahren in SaudiArabien eine industrielle Verschwörung ausgeheckt hatte. Doch das war reine Vermutung, bewiesen war es nicht. Das war viel mehr, als Kalaila von ihren Leuten erfahren hatte. Aber ein intelligenter, erfolgreicher Amerikaner tarnte sich nicht als Terrorist, wenn er
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