Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
keine zwingenden Gründe dafür hatte. Für Achmad, Sultan von Oman und Anhänger der New England Patriots , war das genug. Washington hatte Kendrick zwar hierher auf den Weg gebracht, würde ihn jedoch gegebenenfalls verleugnen und würde ihn auf keinen Fall unterstützen. »Aber wir können es, ich kann es!« hatte Achmad gerufen. Und jetzt erwies sich Tony MacDonald als äußerst beunruhigender Faktor im Gesamtbild.
Kalailas beruflicher Instinkt verlangte, daß sie sich entferne, so schnell wie möglich Fersengeld gebe, doch dazu war sie nicht imstande. Etwas war geschehen, jemand hatte das empfindliche Gleichgewicht schon verübter und künftiger Gewalttaten verändert. Doch sie würde nicht den kleinen Jet herbeifunken, der sie von einem unbekannten Felsplateau nach Kairo in Sicherheit bringen sollte. Noch nicht. Noch nicht. Nicht jetzt. Es gab so viel zu erfahren, und die Zeit war so knapp. Sie konnte jetzt nicht aufhören.
»Nicht anhalten!« brüllte der fettleibige MacDonald und hievte sich mit Hilfe des Haltegriffs auf den Beifahrersitz zurück. »Sie ist aus einem ganz bestimmten Grund hierhergefahren. Um diese Zeit macht wohl niemand zum Vergnügen eine Spritztour.«
»Sie hat Sie vielleicht gesehen, Effendi.«
»Selbst dann bin ich nur ein abgewiesener Freier, der von einer Hure zum Narren gehalten wurde. Fahr weiter, und mach die Scheinwerfer an. Vielleicht wartet jemand auf sie – dritte Person Mehrzahl -, und wir müssen wissen, wer das ist.«
»Wer es auch ist – er könnte sehr unfreundlich sein, Herr.«
»In diesem Fall bin ich nur ein betrunkener Ungläubiger, und du wurdest von der Firma angeheuert, dafür zu sorgen, daß ich mich nicht schändlich danebenbenehme. Es ist alles wie immer, alter Junge.«
»Wie Sie wünschen, Effendi.« Der Fahrer schaltete die Scheinwerfer ein.
»Gibt’s was Besonderes zu sehen?« fragte MacDonald.
»Nichts, Herr. Nur eine alte Straße, die zur Dschabal Scham hinunterführt.«
»Was, zum Teufel, ist das?«
»Der Anfang der Wüste. Sie endet erst bei den Bergen, an der saudiarabischen Grenze.«
»Gibt es noch andere Straßen?«
»Ein paar Kilometer östlich und viel schlechter befahrbar, Herr, sehr schwierig.«
»Wenn du sagst, daß vor uns ›nichts‹ ist – was meinst du mit ›nichts‹?«
»Genau das: Es ist nichts da, nur die Straße, die in die Dschabal Scham führt.«
»Und wohin führt die Straße, auf der wir jetzt sind?« fragte der Engländer hartnäckig weiter.
»Nirgendwohin, Herr. Sie biegt links ab und mündet in die Straße hinunter zur...«
»Ja, ja, zu dieser Dschabal-Dingsda, ich weiß schon«, unterbrach MacDonald den Fahrer. »Wir sprechen also nicht von zwei Straßen, sondern von einer, die nach links hinunter in deine verdammte Wüste führt.«
»Ja, Herr...«
»Ein Treffpunkt«, flüsterte der Gefolgsmann des Mahdi vor sich hin. »Ich habe es mir anders überlegt, alter Junge«, fuhr er hastig fort. »Mach die verdammten Scheinwerfer wieder aus. Das Mondlicht ist doch hell genug, nicht wahr?«
»O ja«, antwortete der Fahrer triumphierend, während er die Scheinwerfer löschte. »Ich kenne diese Straße sehr gut. Kenne jede Straße in Maskat und Matrah sehr, sehr gut. Sogar die unpassierbaren nach Osten und Süden. Aber ich muß sagen, Effendi, ich verstehe nicht.«
»Es ist ganz einfach, mein Junge. Wenn unsere fleißige kleine Hure nicht hinunterfuhr, um dort zu treffen, wen oder was sie treffen wollte, wird jemand hier heraufkommen – und zwar noch bevor es Tag wird, was nicht allzulange dauern kann.«
»Der Himmel wird sehr schnell hell, Herr.«
»Ganz recht.« MacDonald legte seine Pistole auf das Armaturenbrett, griff in die Jackentasche und holte ein kleines Fernglas heraus. Er hob es an die Augen und suchte durch die Windschutzscheibe das vor ihm liegende Terrain ab.
»Es ist noch zu dunkel, Effendi«, sagte der Fahrer.
»Nicht für dieses kleine Schätzchen«, antwortete MacDonald, als sie sich einer zweiten, von fahlem Mondlicht erhellten Kurve näherten. »Ich kann dir auf eine Entfernung von tausend Metern sagen, wie viele verkrüppelte Bäume dort stehen.« Sie bogen um die scharfe Kurve, der Fahrer blinzelte und trat auf die Bremse. Die Straße verlief jetzt schnurgerade und flach und verlor sich in der Dunkelheit.
»Noch zwei Kilometer, und wir kommen zu dem Gefälle, das in die Dschabal Scham führt, Herr. Ich muß sehr langsam fahren, da es hier viele Kurven gibt und die Straße sehr
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