Der im Dunkeln wacht - Roman
Haufen von Hanko zu beseitigen. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie die dünne Folie nicht aufbekam.
»Geben Sie schon her. Ich habe das bei meinem Hund fast fünfzehn Jahre lang gemacht«, sagte Irene.
Sie nahm Marie die Tüte aus den Händen und zog sie über die Hand. Mit einer routinierten Bewegung klaubte sie zusammen, was Hanko hinterlassen hatte, und das war eine ganze Menge, bedeutend mehr als der kleine Sammie seinerzeit.
Ein paar Schritte weiter hing an einem Laternenpfahl ein schwarzer Mülleimer mit Deckel. Irene warf die schwarze Plastiktüte hinein. Als sie sich umdrehte, fiel ihr auf, dass sich Marie nicht von der Stelle bewegt hatte.
»Kommen Sie. Wir gehen zurück zu Ihnen. Hanko hat sein Geschäft verrichtet«, sagte Irene.
Ohne Irene anzusehen ging Marie weiter. Sie bog auf einen schmalen Pfad ab. Ein paar Meter weiter kamen sie auf den größeren Weg, der zu den Reihenhäusern, in denen sie wohnte, zurückführte. Sie sagte kein Wort.
Nachdem sie die Tür aufgeschlossen und dem Hund seine Leine abgenommen hatte, ging sie in die Küche. Irene machte die Haustür zu und folgte ihr. Marie stand an der Spüle und goss sich aus einer bereits geöffneten Flasche ein großes Glas Rotwein ein.
»Ich werde Sie nicht fragen, ob Sie auch ein Glas wollen, denn
mehr habe ich nicht im Haus, und ich brauche jeden Tropfen«, sagte sie unwirsch.
»Mir nur recht, ich muss noch fahren, außerdem bin ich im Dienst«, entgegnete Irene.
Marie trank zwei große Schlucke, ohne die Miene zu verziehen. Wie Wasser, dachte Irene erstaunt.
»Ich trinke nur selten was, aber manchmal …«, sagte Marie und nahm noch einen Schluck.
Sie weinte nicht mehr und wirkte wieder lockerer.
»Vielleicht sollten wir ins Wohnzimmer gehen?«, sagte sie.
Ohne Irenes Antwort abzuwarten, verließ Marie rasch die Küche und ließ sich auf einen Sessel sinken. Es sah aus, als könne sie sich kaum noch auf den Beinen halten.
»Sie haben Recht. Jonathan wird nicht schweigen, früher oder später …« Sie verstummte, griff nach dem Weinglas, hob es dann aber nicht an die Lippen. Langsam blickte sie zu Irene auf, die noch nicht Platz genommen hatte.
»Ich weiß nicht, ob ich das schaffe«, sagte sie leise.
Sie umklammerte das Glas fester und hob es an den Mund. Dann trank sie begierig, als hinge ihr zukünftiges Wohl und Wehe davon ab, wie schnell sie den Inhalt des Glases zu sich nahm. Wenn sie so weitermacht, wird ihr noch übel, dachte Irene. Hoffentlich bin ich dann schon weg. Sie sagte:
»Das können Sie nur mit Katrin klären. Ich würde wie gesagt gerne mit ihr über ihre Beobachtungen an jenem Abend sprechen. Bitten Sie sie doch, mich so bald wie möglich anzurufen. Sie haben ja bereits meine Karte, aber Sie können ihr ja auch eine geben.« Irene zog noch eine Visitenkarte aus der Tasche und legte sie vor Marie auf den Tisch. Diese betrachtete die Karte, nahm sie aber nicht in die Hand.
»Eigentlich bin ich hier, um Ihnen zu berichten, was wir bislang über den Paketmörder herausgefunden haben«, fuhr Irene fort.
In Maries Blick schimmerte Interesse auf, aber sie sagte immer noch nichts.
»Einige Funde in den Wohnungen der beiden Mordopfer deuten darauf hin, dass sie von einem sogenannten Stalker verfolgt wurden.«
Marie zuckte zusammen. »Verfolgt? Von einem Stalker? Aber ich wurde nicht verfolgt … «, sagte sie.
Ungewollt hob sie die Hand an den Hals und fingerte nervös an ihrem Halstuch.
»Sind Sie sicher? Der Mann im Garten könnte Sie doch eine Weile lang beobachtet haben, ohne dass Sie es bemerkten. Wir glauben, dass es sich um einen Mann handelt, der nicht sofort auffällt. Aber er könnte sich seltsam benommen haben. Er könnte an verschiedenen Orten aufgetaucht oder seltsame Dinge oder auch überhaupt nichts gesagt haben.«
»Ich treffe bei der Arbeit Tausende von Menschen, und einer ist verrückter als der andere. Oder nein … die meisten sind ganz okay. Aber es gibt natürlich eine ganze Menge absonderliche Leute«, sagte Marie und verzog das Gesicht.
Sie legte den Kopf in den Nacken und trank ihren Wein aus. Erstaunt schaute sie dann in das leere Glas und erhob sich langsam.
»Setzen Sie sich!«, sagte Irene scharf.
Hanko reagierte sofort und spitzte die Ohren. Er stand vom Teppich auf und sah aufmerksam zwischen seinem Frauchen und der Besucherin hin und her. War es ernst? Offenbar nicht. Mit einem letzten misstrauischen Blick auf Irene ließ sich Hanko wieder zu Boden sinken.
»Sie dürfen
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