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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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verekeln, verderben, verkaufen, verhäßlichen, und aus dieser Fehlwahrnehmung heraus Repression, Tabu, induzierte Versagung für den Hauptwiderspruch zu halten, öffnet nur in seltenen Ausnahmefällen (nämlich wenn sich die Gegenseite, das Bestehende, besonders dumm anstellt) politische Transformationspotentiale, weil man nicht auf eine bestimmte Art lieben kann, um das Elend zu überwinden, sondern nur das Elend bekämpfen, um die Liebe von ebender Heteronomie zu emanzipieren, die in ihrer Bestimmung durch das falsche Soziale so erdrückend Wirklichkeit wird wie in ihrer Konterbestimmung durch irgendein verordnetes Rebellionsprogramm.
     
    2. Wenn der Zentralnexus des »allgemeinen Unglücks«, also der Entfremdung, nicht mehr das Lohnarbeitsverhältnis war – und hatte der Geschichtsverlauf seit Ford und Taylor die Verelendungstheorie nicht widerlegt, hatten die Arbeiter in den reichen Ländern nicht ihren Frieden mit dem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit gemacht, war nicht die verwaltete Welt im Westen und Osten jenseits aller marxistischen Ansichten dazu im wesentlichen dieselbe, elende, vermaßte, vereinzelnde? –, sondern das durch alle Wohlstands- und Wegwerfreichtümer hindurch fortdauernde Elend mit sich zerfallener Menschen, das nirgends soviel Hetero- und Anomie zeitigte wie im »Zwischenmenschlichen«, dessen heikelster Bereich die Geschlechterverhältnisse bildeten, und wenn darüber hinaus die »sexuelle Revolution« diesen Leidensbrandherd nicht entschärft, sondern nur dereguliert hatte und seine Erniedrigungs-, Entwürdigungs-, Psychoqual- und Körperangstfeuer damit erst recht angefacht, war dann nicht das unbefragte heterosexuelle Liebesmodell selbst das Problem? Lag die Lösung nicht in einer politisierten Homosexualität, besonders für Frauen, welche die weibliche Liebe dem Reproduktions- und dem um es herum organisierten sonstigen Körperregime des perennierenden Patriarchats entzog, wie einst der Sozialismus die lebendige Arbeit der Aneignung durchs Kapital hatte entziehen sollen? Der Gedanke kam vielen Leserinnen (und, seltener, Lesern) von Valerie Solanas, Shulamith Firestone, Alice Schwarzers Der kleine Unterschied oder Dworkins Intercourse . Strategisch und taktisch ist daran nichts Verkehrtes, aber programmatisch krankt die Idee daran, daß es bei Liebe um Menschen und deren Glück geht, bei Politik aber darum, Bedingungen zu schaffen, die es diesen Menschen erlauben, ihr Glück selbst zu suchen und zu machen. Die sogenannte »sexuelle Orientierung« zur Parteiplattform zu machen, ist ein Manöver, das nicht weiß, was die amerikanische Unabhängigkeitserklärung wußte, als sie feststellte: Alle haben ein Recht, nach dem Glück zu streben, aber niemand kann ein Recht auf dieses Glück selbst haben. Frauen und Männer sollen lieben dürfen, wen sie wollen, ist daher eine politische Forderung, Frauen und Männer sollen Frauen oder Männer lieben, ist bloß eine moralische. Wo Moral politisiert, wird sie das Unglück aber selten verringern und meistens mehren. Es gibt unglückliche lesbische Frauen, unglückliche schwule Männer, und wer ihnen dieses Unglück verbieten will, handelt genauso falsch wie jene, die ihnen das Glück verbietet, nach dem sie streben und das sie manchmal erreichen. In allen Beziehungen, nicht nur den heterosexuellen, findet man Spielarten von Kälte, Hörigkeit, Sprachlosigkeit, Unfähigkeit zur gegenseitigen Wertschätzung aus heimlicher Selbstverachtung, Achtlosigkeit, Grausamkeit, Scheußlichkeit, Verdruckstheit, Vorteilsnahme, wenn die Rechte der Menschen verletzt werden. Sind sie gewahrt und geschützt, mögen diese Makel verschwinden oder auch nicht, aber mehr als sie wahren und schützen (und beispielsweise verhindern, daß ein bestimmtes Geschlechterbeziehungsmodell, etwa die heterosexuelle Familie, durch steuerliche, erbrechtliche und andere Privilegien unfair bevorzugt wird) kann und sollte Politik nicht. Kälte, Hörigkeit, Sprachlosigkeit, Unfähigkeit zur gegenseitigen Wertschätzung aus heimlicher Selbstverachtung, Achtlosigkeit, Grausamkeit, Scheußlichkeit, Verdruckstheit, Vorteilsnahme – das sind unpolitische Schattenseiten der Liebe, die von politischen mächtige Nahrung erhalten können, aber Glück, Nähe, gegenseitige Hilfe, Gerechtigkeit, wirkliche Kommunikation und Schönheit sind das, was man in der Liebe findet und suchen sollte, nicht Schwanz und Muschi (von denen allerdings viel Energie kommen kann, das Glück, die Nähe, die

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