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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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hat, daß mit geringerem (als dem jetzigen) Kostenaufwand Passagiere mit einer Stundengeschwindigkeit von mehr als 200 Werst befördert werden können, gibt es gar keine technischen Hindernisse mehr dafür, daß die gesamte, mehr oder minder gleichmäßig über das ganze Land verteilte Bevölkerung in den Genuß der Schätze von Wissenschaft und Kunst gelangt, die Jahrhunderte hindurch in einigen wenigen Zentren aufgehäuft wurden«. 272
    Daß »Kommunismus« jemandem, der so schreibt, etwas ganz anderes bedeutet als in der maoistischen Kulturrevolution oder, nur noch destruktiv, bei Wahnsinnigen wie Pol Pot, enthält eine historische Wahrheit, an der das ganze Schicksal sich revolutionär verstehender Künste, also aller im weitesten Sinn modernen, in a nutshell enthalten ist.
     
    Aus dem Wissen, daß man das Kommunizieren als Mensch nicht lassen kann, könnten die Künste ab dem Moment, da Kunstschaffende nicht mehr automatisch privilegierte Besitzende nichtkünstlerischer (religiöser, politischer, wissenschaftlicher) Kenntnisse sein sollen, sondern nichts anderes mehr sind als eben Kunstschaffende, eine neue Funktion gewinnen, die der Technik des Explizitmachens von Normativitäten übers plan Moralische hinaus, von Evaluativen und Direktiven, die sinnlich wirken, ohne anders als welt- und geschichtsimmanent gerechtfertigt sein zu wollen. Die Künste können sagen, was alle anderen menschlichen Tätigkeiten wissen, aber nicht sagen können: Nicht zu kommunizieren ist den Menschen nicht nur unmöglich, es wäre, wenn es denn doch möglich wäre, das unter Menschen schlechthin Falsche – mehr noch: das Böse.

ACHTZEHN
DER EXPLIZITE IMPLEX
I.
Die Wirklichkeit der Möglichkeit
    Alle in diesem Buch angestellten Überlegungen gehen davon aus, daß es den Implex gibt.
    Ob es etwas gibt, erkennt man daran, ob sich damit etwas machen läßt (Probehandeln inbegriffen). Mit dem Implex steht es nicht anders; wir haben den Begriff ausprobiert als ein Wort, das wie ein Einspruch funktioniert, wo immer beim Versuch, die Geschichte nicht allein dessen, was wirklich geschehen ist, sondern auch dessen, was möglich war, zu erzählen, in den gängigen Ideologien des Geschichtlichen wie des Natürlichen Reduktionen von irreduziblen Folgerungs- und Handlungskonstellationen auf Seinskonstellationen gefordert werden, die diesen Arrangements von Folgerungen und Handlungen angeblich (ontisch wie historisch) vorgängig sein sollen. Den bestimmten Artikel, den Singular haben wir gewählt, weil wir den Implex zwar von Situation zu Situation denken, aber als einen Tausendfüßler in Zeit und Raum (das Bild ersetzt uns Rosa Luxemburgs Vorstellung vom Maulwurf in der Geschichte) – wenn es »die Vergangenheit« als Singular gibt, aber »die Möglichkeiten« als Plural, dann ist der Implex einfach das (jederzeitige, von Tausendfüßlersegment zu Tausendfüßlersegment verschiedene, aber in jedem Segment mit dem Gesamttausendfüßler verbundene) Verhältnis zwischen erstens allem, was war und nicht zu ändern ist, zweitens allem, was sein könnte und in dem Moment, in dem es vorhergesagt wird, vermieden werden kann, soweit es menschliche Hexis und Praxis berührt, und drittens allem, was man wollen kann. Wir haben uns dabei implizit, das heißt bis hierher ohne Nennung, auf die von Jon Barwise und John Perry in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern entwickelte mathematische »Situationstheorie« in ähnlich freier, das heißt erzählender statt rechnender Weise gestützt wie Luhmann auf die kybernetischen und biologischen Systemtheorien, was erlaubt ist, wenn es funktioniert, und Korrekturen einlädt, wo es das nicht tut. Wie Luhmann über die Abstraktion von biologischen Systemen auf Systeme überhaupt zu einem Rahmen gelangte, in dem sich soziale Systeme denken lassen, haben wir die von Barwise und Perry entwickelte tentative Ontologie, in der es Individuen, Relationen zwischen diesen, räumliche und zeitliche Koordinaten, Situationen (Weltausschnitte konkreter und abstrakter, empirischer und spekulativer Art, die von probehandelnden und handelnden Geschöpfen unterschieden und vielleicht sogar erst individuiert, konstruiert werden) sowie deren Typen und Parameter gibt, auf Kategorien wie Sein und Sollen abgezogen, sie damit probehandelnd vergleichbar und unterscheidbar gemacht und zu Begriffsmaschinen technisiert, die aber, wie jede Technik, jederzeit außer Dingen und Daten (oder wie Keith Devlin sagt: Infonen), den zwischen

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