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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Stoffe, dafür aber kunstvoll verzierte und gefärbte Lederkleidung und viel Gold- und Silberschmuck mit bunten Steinen versehen.
    Jetzt lösten sich drei besonders würdevoll aussehende weißhaarige Männer von der Gruppe. Impaba begleitete sie. Mit der ihm eigenen Überheblichkeit ergriff er das Wort: »Das sind die Oberhäuptlinge Rastap, Migay und Unas.« Bei der Nennung der einzelnen Namen beschrieb er mit der Hand in Brusthöhe einen waagerechten Kreis, die Handfläche nach unten gewendet. Die Gesichter der drei Oberhäuptlinge waren ernst und von vielen Falten durchzogen. »Sie möchten die fremden Männer kennen lernen, die aus dem Westen über das Gebirge in unser Land kamen. Ich teilte ihnen eure Worte mit, sie möchten sie aber selbst aus euren Mündern hören.«
    »Ich heiße euch herzlich willkommen, große Häuptlinge«, erklärte Shong mit einladenden Gesten. »Ich bringe euch Geschenke und die Freundschaft Seiner Majestät, des Königs von Neva.« Da diese Männer so viel Wert auf Ernst und Feierlichkeit legten, begann er mit einer weitschweifigen Rede über seine Mission und legte besonderen Wert auf die Betonung des Reichtums, nicht der Stärke seines Landes, und mehr auf die Großzügigkeit des Königs als auf seine Macht.
    Während der Kaufmann sprach, ergriff Hael die Gelegenheit, die übrigen Amsi genau zu betrachten, die reglos wartend auf ihren Cabos saßen. Bis jetzt war niemand abgesessen. Sie unterhielten sich leise miteinander, und viele begehrliche Blicke streiften die ausgebreiteten Güter.
    Einer der Männer unterschied sich deutlich von seinen Gefährten und erregte Haels Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu den anderen trug er keine Waffe bei sich. Seine Kleidung ließ auf Wohlstand schließen, war aber dennoch schlicht und aus vielen kleinen Fellen gefertigt. Er trug zahlreiche Amulette und an Lederschnüren aufgereihte Beutelchen. Anstelle des Speers hielt er einen geschnitzten Stab in der rechten Hand, an dem Federn, Felle und menschliche Skalpe baumelten. Das Gesicht zierten kunstvoll aufgemalte oder eintätowierte Muster, und sein Haar schmückte der Kopf eines riesigen Reptils, möglicherweise einer Schlange. Eigenartigerweise beachtete er Shong überhaupt nicht, sondern starrte Hael die ganze Zeit an.
    Hael, der von einem nicht weniger primitiven Volk als diesem abstammte, erkannte einen Geistersprecher, sobald er ihn sah. Außerdem spürte er die übersinnliche Kraft des Mannes. Das war kein schauspielernder Betrüger, wie die Priester, die er gesehen hatte, sondern ein Mann, der täglich in Verbindung mit den Geistern seines Landes stand.
    Als Shongs Rede mit einer Einladung an die Häuptlinge, abzusitzen und die Waren zu untersuchen, endete, ritt der Geistersprecher vor und blieb links neben den Häuptlingen stehen. Langsam hob er den seltsamen Stab und zeigte auf Hael.
    »Wer ist das?« fragte er mit lauter Stimme. Die Häuptlinge sahen sich verwirrt um. Das hatten sie nicht erwartet. Hael war erschrocken, bemerkte aber dennoch Impabas Gesichtsausdruck. Der Kriegshäuptling warf dem Geistersprecher einen Hasserfüllten Blick zu.
    »Nun«, hub der überraschte Shong an, »das ist Hael, ein Mann von den Inseln jenseits des großes Ozeans. Er gehört zu meinen Wachen. Warum willst du das wissen?«
    Der Geistersprecher wandte sich an seine Gefährten und sprach so leise mit ihnen, dass Hael seine Worte nicht verstehen konnte. Bis auf Impaba sahen ihn die Männer völlig verblüfft an. Ersterer schien heftigen Widerspruch einzulegen. Schließlich brachte ihn einer der Älteren mit einer Handbewegung zum Schweigen und wandte sich an Shong. Es war Rastap.
    »Das ist Naraya, Der-mit-den-Geistern-spricht. Er hat uns etwas Seltsames gesagt. Er behauptet nämlich, dieser Jüngling sei ein Wechselbalg, ein Geist in menschlicher Gestalt.« Die umstehenden Amsi brachen in halblautes Geraune aus.
    »Ich kann dir versichern, Häuptling Rastap«, beteuerte Shong, »dass er ein ganz gewöhnlicher junger Mann ist, der – wie wir alle – eurem Volk äußerst freundschaftlich gesinnt ist. Er ist ein guter Krieger und Späher, aber mehr nicht.«
    Der Geistersprecher ritt bis zu Hael, neigte sich im Sattel vor und musterte den Jungen minutenlang eingehend.
    »Haare wie Bronze, Haut wie Kupfer, Augen, so blau wie der Himmel«, sagte er schließlich in eigentümlichem Singsang. »Du bist ein Geist. Was willst du bei uns? Bist du der prophezeite große Geist, der uns leiten soll, oder ein Dämon, der

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