Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
lag tatsächlich zufrieden in seinem ausgepolsterten Sarg –, sagte Huang zu seiner Frau Jinvan: »Chang will uns verlassen, Frau.«
    »Verlassen? Wohin will er denn gehen? Gefällt es ihm nicht mehr bei uns?«
    »Er will sterben, Frau.«
    »Weiß er es jetzt selbst, daß er sterben muß?«
    Huang richtete sich in seinem Bett auf und sah seine Frau voll Verblüffung an. »Du weißt es schon länger?«
    »Ich weiß nur, was ich sehe, und ich sehe einen Mann, der in die Erde wächst.«
    »Hast du mit Jian darüber gesprochen?«
    »Nein. Er weiß es besser als ich.«
    »Mit Lida?«
    »Nein. Ihr Herz ist schwer genug.«
    »Frau, das mußt du mir erklären. Wieso hat sie ein schweres Herz?« Plötzliche Angst fiel über Huang her. »Ist sie auch krank?«
    »Ja.« Jinvan schüttelte den Kopf, als könne sie nicht begreifen, daß ihr Mann so wenig von Menschen verstand, wo er doch täglich junge Menschen für das Leben erzog. »Kennst du überhaupt deine Tochter?«
    »Das ist eine dumme Frage, die keiner Antwort wert ist.«
    »Nein, du kennst sie nicht. Wo war sie gestern? Wo war sie heute?«
    »Auf dem Feld, wie immer.«
    »Der Büffel war sauber, wie er aus dem Stall gekommen ist, keine Erdkrusten an den Beinen, kein verschwitztes Fell, keine schmutzigen Nüstern. Er hat nicht gearbeitet. Was haben sie auf dem Feld getan? Bekommt man rote Augen, wenn man Kohl erntet?«
    »Rote Augen? Der Büffel hat rote Augen?«
    »Lida hat rote Augen.«
    »Eine Entzündung? Ich werde Tropfen holen.«
    »Wie ahnungslos bist du, Keli! Lida hat geweint. Zwei Tage und zwei Nächte weint sie schon, und du willst ihr Tropfen geben!«
    »Sie weint?« Huang fuhr sich mit beiden Händen hilflos durch die Haare. »So groß sind ihre Schmerzen, und niemand sagt mir etwas!«
    »Sie weint, weil sie Jian liebt«, sagte Jinvan laut. »Begreifst du es jetzt, Mann? Jian ist weggefahren, und niemand weiß, ob er wiederkommt.«
    »O ihr Götter, sie liebt Jian?« Huang sprang aus dem Bett und ging im Zimmer unruhig hin und her. Dabei schlug er die Hände zusammen und klagte: »Das ist ein Unglück, das über unser Haus kommt. Ein Unglück. So viele Bauernsöhne bewerben sich um sie, und sie benimmt sich, als wisse sie nicht, daß sie eine Frau ist. Und jetzt dieses Unglück!«
    »Du magst Jian nicht?«
    »Frau, ich bin ein armer Lehrer und ein Miao dazu. Er ist ein Han und aus reicher Familie. Wie soll sich das zusammenfügen? Nur ein Unglück kann das werden.« Er blieb stehen und schlug die Fäuste gegeneinander. »Ich hoffe, daß Jian nie wiederkommt, daß wir ihn nicht mehr sehen werden. Und ich werde Lida an einen Mann verheiraten, der zu ihr paßt. Ich selbst werde ihn aussuchen.«
    »Willst du zum Henker deiner Tochter werden?« schrie Jinvan. Auch sie sprang von ihrem Lager auf. Zum ersten Mal in ihrem Leben verließ sie die Ehrfurcht vor ihrem Mann; sie trat vor ihn und schrie ihn wie einen störrischen Esel an. »Sie liebt ihn, und sie stirbt uns unter den Händen, wenn Jian für immer gegangen ist! Sie weint sich die Seele aus dem Leib, und sie wird tot sein, obgleich sie weiter atmet und weiter auf den Feldern arbeitet, aber ihre Augen werden leer sein und ohne Leben.«
    Huang ließ den Kopf hängen. Er war über Jinvans Ausbruch nicht betroffen oder gar böse, vielmehr lag ein schmerzender Druck auf seiner Brust. »Was soll ich tun, Frau?« fragte er und stöhnte.
    »Ich weiß es nicht, Mann. Du bist der Klügere, du bist der Lehrer.«
    »Es wird nicht gut gehen, es kann nicht gut gehen. Ich muß mit Jian reden.«
    »Wo?«
    »Und wenn ich nach Kunming fahren muß.«
    »Die Familie Tong wird dich vor die Tür werfen. Willst du dich demütigen lassen, Keli?«
    Huang dachte nach und stimmte seiner Frau bei, daß man ihn in Kunming würdelos behandeln würde. Er würde seinen Stolz und sein Gesicht verlieren, wenn man ihn aus dem Haus wies oder ihn sogar damit verspottete, daß nur ein Idiot den Gedanken haben konnte, ein Tong würde eine Huang heiraten. Gibt es eine Hochzeit zwischen einem Tiger und einer Maus?
    »Jian sagte doch, er habe einen Onkel in Dali. Den berühmten Dichter und Maler Zhang Shufang. Bei ihm hat er in den Ferien gelebt. Frau, ich werde nach Dali fahren und mit dem weisen Zhang reden. Vielleicht weiß er einen Rat.«
    »Und Lida wird mit jeder Träne weniger werden.«
    »Das ist Frauensache«, sagte Huang, ging zu seinem Bett zurück und ließ sich hineinfallen. »Sprich mit ihr. Ich kann es nicht, ich würde mit ihr

Weitere Kostenlose Bücher