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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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ihn verraten. Er war um die Vierzig, mein Lieblingsalter bei Männern, und schwarz, da konnte ich gar nicht anders, als die Verbindung zu dem Vater herstellen, den ich nie kennengelernt hatte. Ich dachte: Was für ein tolles Land muß Amerika sein, wenn ein Schwarzer dort mit soviel Selbstachtung und Ungezwungenheit aufwachsen kann. Natürlich habe ich ihm mein verführerischstes Lächeln geschenkt, ohne eine Reaktion zu erwarten. Aber er hat zurückgelächelt, sich entschuldigt, daß er mich stört. Er hatte das Abteil neben meinem. Und ich hab geantwortet: ›Kein Problem, Schätzchen, kein Problem.‹ – Wie ein Stricher. Ich dachte, das war’s, weil er so hetero aussah. Wenn man mit einem Heteromann so spricht, törnt ihn das normalerweise ab, widert ihn sogar an. Doch er lächelte weiter und fragte, ob er sich einen Moment zu mir setzen dürfe. Da fing mein Herz wie wild zu schlagen an.«
    Sie atmet tief durch. »Ich erspare Ihnen eine genauere Schilderung von Chiang Mai. Gott allein weiß, warum ein Mann wie er dorthin wollte – nun ja, es steht in allen Reiseführern. Und Gott allein weiß auch, warum er sich mit mir zusammentat. Er hat nie zugegeben, daß ich sein erster Mann war, aber ich wußte, er ist nicht wirklich schwul. Es gibt die unterschiedlichsten Varianten, und Männer, die Sex lieben, experimentieren alle früher oder später. Er hatte sein ganzes Leben Frauen gehabt und sich wohl irgendwann gefragt, ob sich das überhaupt lohnt. Vielleicht war ja ein Mann in der Lage, ihm den ganz besonderen Kick zu verschaffen? Ich dachte: Na schön, ich bin in einem guten Hotel mit dem Mann meiner Träume, und wenn’s vorbei ist, bleiben mir immerhin noch die Erinnerungen, bis ich in die nächste Katastrophe stolpere. In Gesellschaft hat er sich mit mir nicht wohl gefühlt. Wir haben das Zimmer nie gemeinsam verlassen, immer getrennt gegessen oder einen Drink genommen. Schließlich war er Marine. Das, was er da mit mir machte, war eine ziemlich große Sache für ihn. Zu meiner Überraschung hat er mir nicht nach der ersten Nacht den Laufpaß gegeben.
    Erst nach fünf Tagen. Ich habe gesagt: ›Natürlich, Schatz, es war wunderschön für mich, du bist das Beste, was mir je passiert ist. Aber noch eine Frage: Könntest du mir mit zehntausend Baht aushelfen? Ich bin ein bißchen knapp bei Kasse.‹ Wir sind zusammen zum Geldautomaten, er hat mir die Scheine in einer dunklen Gasse gegeben, und dann ist jeder seiner Wege gegangen.
    Aber zwei Tage später hat er angefangen, nach mir zu suchen, in allen Schwulenbars der Stadt. Irgendwann hat er mich gefunden, und da wußte ich, daß etwas Schreckliches mit diesem wunderbaren Mann geschah. Er schaute mich mit Tränen in den Augen an. Natürlich hätte ich alles für ihn getan, wirklich alles. Wäre er auf die Idee gekommen zu sagen, ›Nimm dieses Messer und schneid dir die Kehle durch‹, hätte ich es getan. Für mich war das auch eine neue Erfahrung: Liebe.«
    »Aber er hat sich nie daran gewöhnt, daß Sie ein Mann waren?«
    »Nein. Nun, lassen Sie es mich andersherum ausdrücken: Er hat sich nie daran gewöhnt, daß er schwul war. Die ersten paar Wochen hatte er sich noch im Griff, aber ich sah, wie er mit sich kämpfte, und fragte mich, was er mit meinem armen Körper anstellen würde, wenn alles aus ihm herausbräche. Ich kenne das Phänomen, es gehört zum Beruf: der Mann mittleren Alters, der sich selbst gegenüber nicht zugeben kann, daß er schwul ist. Wenn er mich in einem Anfall einfach umgebracht hätte, wäre mir das egal gewesen, es hätte schlimmere Möglichkeiten gegeben, das Zeitliche zu segnen. Das, was ihm schmutzig und entwürdigend erschien, war für mich der Höhepunkt meines Lebens. Er hat mich gut behandelt, wenn er sich gerade daran erinnerte, was für ein großzügiger Amerikaner er war. Ich habe ihn vergöttert. Er rauchte gern ganja, also besorgte ich ihm welches. Dann fing er mit dem Trinken an. Ich glaube, bevor er mich kennenlernte, hat er nicht viel getrunken, aber schon bald konnte er eine Flasche Mekong in einer Stunde leeren. Es war wie in dem Lied: hate myself for loving you. «Sie seufzt. »Ich glaube, am Anfang hat er mich wirklich geliebt. Ich war so etwas wie eine Befreiung für ihn. Er hatte sein ganzes Leben lang mit Frauen geschlafen und kein echtes Vergnügen daran gehabt. Ich verstand ihn immerhin. Damals hatte ich selber noch Testosteron, und ich wußte, wie ein Mann tickt. Inzwischen ist mir das nicht mehr so klar.

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