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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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seinem Haus brachte, und beschwor mich, es niemandem weiterzusagen.«
    »Das hat er getan, damit niemand seinen Unsinn aufdeckt.« Aude schob den Fuß in den Steigbügel. »Dein Freund hat dich verspottet. Du solltest ihn aufsuchen und ihn kräftig auslachen.«
    »Das geht nicht«, murmelte Galbert und machte ein bedrücktes Gesicht. »Es ist der Mann, der von den Banditen getötet wurde.«
    »Dort ist Philipp«, rief Galbert über den Lärm der Menge hinweg, während sie versuchten, sich durch das Haupttor in den Vorhof des Doms hindurchzudrängen. Es war nicht erlaubt, heute Markt zu halten, aber der Geräuschpegel hätte nicht schlimmer sein können. Händler mit Bauchläden zwängten sich in derselben Anzahl durch die Menschenmassen wie die Taschendiebe, und jeder schrie sein Angebot aus Leibeskräften heraus. Der Platz vor dem Dom war ein schmales Geviert, eingefaßt von der Flanke des Kirchenbaus im Norden, dem Geisthaus, dem Erzbischöflichen Palast und dem Hohen Gericht an den anderen Seiten, seit einiger Zeit noch enger gemacht durch die ersten Bauhütten für den geplanten Neubau. Er bebte förmlich vor Erwartung, und wenn der Erlöser persönlich auf dem Kirchturm erschienen wäre, hätte es die aufgeregt aufeinander einschreienden Menschen nicht verwundert. Die ersten Verzückungsanfälle hatte es bereits gegeben. In einer Ecke bildete ein Knäuel Menschen einen schreienden und händefuchtelnden Narrenhaufen. Im Vorbeireiten sah Aude, daß sie Wetten auf zwei Männer abschlossen, die mit auf den Rücken gebundenen Händen umhersprangen und versuchten, eine an einen Stock genagelte Katze mit Kopfstößen zu töten. Die Katze wehrte sich aus Leibeskräften – beiden Männer lief das Blut bereits in verschwitzten Fäden über die Gesichter. Aude sah sich um. »Wo?«
    »Dort drüben, beim Brunnen.«
    Bei einem schmucklosen Brunnen, an der Wand des Gerichts, standen die Menschen dicht an dicht gedrängt und reckten sich die Hälse aus. Ihre Gesichter waren der Kirche zugewandt. Auf der Seite, die dem Kirchenbau abgewandt war, saß Philipp, den Rücken gegen den Sockel gelehnt und auf den Boden starrend. Aude zog am Zügel ihres Pferdes, aber Galbert war schneller. Sein Maultier drängte sich an den Leibern vorbei und schuf eine Gasse, durch die Audes Pferd folgen konnte. Sie machten vor Philipp halt, als ihr Schatten auf ihn fiel. Philipp hob den Kopf und blinzelte in die Helligkeit; schließlich hielt er eine Hand vor sein Gesicht und kniff die Augen zusammen.
    »Aude Cantat«, sagte er mit schwerer Zunge. »Ist es Eure Erscheinung, die mich so blendet?« Er grinste.
    »Ihr seid betrunken«, rief Aude erstaunt.
    »Wie eine Horde englischer Kaufleute.« Er suchte mit der Hand auf dem Boden neben sich und fand einen schlaffen Weinschlauch, den er tätschelte. Aude warf Galbert einen raschen Blick zu; ihr Begleiter sah mit einer Mischung aus Amüsement und Bedauern zu Philipp hinunter. Philipp spähte zu ihm hinauf und nickte ihm würdevoll zu. »Paßt du gut auf sie auf?« fragte er und nickte befriedigt, als Galbert dies lächelnd bejahte.
    »Wenn du zum Dom gehen möchtest, bleibe ich hier bei Philipp«, sagte Aude. Galbert sah sie überrascht an. »Nun geh schon. Ich weiß doch, daß du gerne hineinmöchtest.«
    »Soll ich Euch das Maultier für Philipp hierlassen?«
    »Mein Pferd steht in der Herberge, du Tor«, erklärte Philipp erstaunlich nüchtern. »Womit willst du denn zurückkommen, wenn du uns den Maulesel läßt?«
    Galbert starrte Philipp unschlüssig an. Aude schwang sich kurzerhand vom Pferd. Philipp beobachtete sie mit einem zusammengekniffenen Auge.
    »Dann geh’ ich jetzt«, sagte Galbert zögerlich.
    »Huschhusch«, machte Philipp und wedelte mit der Hand.
    »Schau dir die ehrwürdigen Knochen an, damit du auf die Wiederkehr des Herrn vorbereitet bist.« Galbert nickte und lenkte sein Maultier in die Menge zurück. Aude sah ihm einen Augenblick hinterher, bevor sie sich Philipp zuwandte. Sie wußte nicht, ob sie seinen Zustand zum Lachen oder verächtlich fand. Noch während sie darüber nachdachte, murmelte Philipp: »Wißt Ihr, daß dies die Stelle ist, an der ich Euren Mann zum drittenmal sah?«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Zum erstenmal traf ich ihn, als sich die Büttel und ein Pilger wegen eines verlausten Propheten in die Haare kriegten, auf dem Marktplatz. Beim zweitenmal sammelte ich ihn vom Boden auf und sagte ihm, er solle vor der Stadt seinen Rausch ausschlafen. Beim drittenmal

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