Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
die Klostermauern nie mehr verlassen.«
»Das tut Ihr mir an, nach allem, was Ihr über mich wißt?« flüsterte Philipp.
»Ich wollte, daß du lebst, du und Aude«, sagte Raimund. Philipp lachte auf und wandte sich ab. »Ich will dieses Leben nicht«, stieß er hervor. »Nicht zurück ins Kloster.« »Es ist entschieden«, sagte der Kardinal und stand auf. Er warf Philipp noch einen Blick zu und schritt nach draußen.
»Kommt Ihr, Raimund?« fragte er.
»Ich will noch ein wenig hierbleiben. Ich habe es Euch erzählt; Katharina und ich ...«
»Schon gut«, erwiderte der Kardinal und lächelte ihm zu. »Gott behüte Euch, bis wir uns wiedersehen.«
»Ja«, sagte Raimund, ohne aufzusehen. »Bis wir uns wiedersehen.« Philipps Bewacher stießen ihn vorwärts, dem Kardinal hinterher. Seine Beine waren unbeholfen, und er stolperte. Er sah auf Raimunds gebeugten Kopf hinunter, aber sein Herr blickte nicht auf, als sie ihn vorbeiführten. Plötzlich stieg Philipp ein heißer Kloß in die Kehle.
»Ihr habt mich verkauft«, keuchte er, aber es war so leise, daß er bezweifelte, daß Raimund ihn hörte. Er hatte nicht genug Kraft, es lauter zu sagen. »Ich habe Euch vertraut wie keinem anderen, und Ihr habt mich verkauft.«
Der Platz vor dem Eingang wimmelte im Vergleich zu den Tagen, die er mit Radolf hier verbracht hatte, geradezu vorLeben. Giovannis Männer und die Leute Alberts bildeten eine Gruppe, die beiden Bewaffneten, die Raimund begleitet hatten, standen abseits. Sie nickten Philipp zu und schnitten finstere Gesichter, aber sie griffen nicht ein. Der Kardinal sah ihm erwartungsvoll entgegen. Als sein Blick sich hob und gleich darauf ein Lächeln seine Lippen verzog, wußte Philipp, daß sein Herr doch hinter ihnen die Treppe heruntergekommen war und im Eingang des donjons stand. Die Bewaffneten mit seinem Wappen auf den Hemden gaben sich einen Ruck und führten ihre Pferde in einem Bogen um die Gruppe des Kardinals herum zu ihm hinüber. Philipp hatte den Eindruck, daß Raimund etwas Abschließendes zu ihm sagen wollte, aber er gab ihm keine Chance dazu; er senkte den Kopf und schaute trotzig zu Boden.
Albert löste sich aus dem Kreis seiner Männer und trat Aude in den Weg. Sie sah zu ihm auf und wartete schweigend darauf, daß er beiseite trat. Ihre Bewacher blieben stehen. Philipp wandte seine Blicke von Giovanni da Uzzano ab und spähte über die Schulter zu ihr zurück. Er kniff die Augen zusammen, als er die Situation überblickte. Der Hafer lag plötzlich wie Blei in seinem Magen.
»Albert, Ihr übernehmt die künftige Schwester Aude«, sagte der Kardinal. »Bringt sie wie vereinbart zum Kloster der Heiligen Ursula nach Mainz, und wartet dort auf weitere Befehle.«
Aude schluckte und wurde bleich. Sie warf Philipp einen Blick zu, aber dieser fuhr schon herum und schrie: »Nein! Laßt das nicht zu!«
»Ich kann mich nicht mit Euch beiden abschleppen«, sagte der Kardinal kalt. »Früher oder später würdet Ihr ohnehin getrennt. Philipp, du kommst mit mir: Wir reisen überKöln und Aachen nach Lyon. Ich möchte dich in meiner Nähe haben. Du kannst mir zu Diensten sein.«
»Ihr könnt Aude nicht mit diesen Kerlen ziehen lassen!« rief Philipp.
»Sie haben ihre Befehle«, erklärte der Kardinal. Albert sah zu ihm hinüber und nickte; dann zwinkerte er Philipp gutgelaunt zu. »Sie werden nichts tun, was darüber hinausgeht. Und ihr Befehl ist, Aude lebend im Kloster der Heiligen Ursula abzuliefern.«
»So ist es«, bekräftigte Albert und grinste zuerst Philipp, dann Aude an.
»Bitte ...«, begann Philipp.
»Es ist so entschieden«, sagte der Kardinal. »Steig auf dein Pferd, oder ich lasse dich hinaufheben und oben festbinden.«
»Ich werde für Euch arbeiten«, stieß Philipp hervor. »Alles, was Ihr wollt. Ich versichere Euch meiner Loyalität. Aber gebt Aude nicht in die Obhut dieser Tiere.«
Albert fuhr zusammen und richtete sich auf. Er ballte die Faust und knirschte: »Das werde ich mir nicht gefallen lassen.« Er stapfte zwei schwerfällige Schritte zu Philipp hinüber, bis der Kardinal seinen Namen bellte und ihn mit einem zornfunkelnden Blick aufspießte.
»Bitte«, sagte Philipp nochmals. »Ich schwöre Euch hier und jetzt absolute Treue, wenn Ihr wollt.«
»Aber Philipp«, erwiderte der Kardinal sanft. »Natürlich wirst du für mich arbeiten. Und natürlich wirst du mir loyal sein. Nach ein paar Jahren demütigen Schweigens, Arbeitens und Betens in einem bedeutungslosen Kloster
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