Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Kardinal stand mitten auf dem Weg, die Arme verschränkt, und musterte Raimund. Dieser trat zu ihm und schob das Schwert wieder in die Scheide zurück.
»Es ist keine Klinge zwischen uns«, erklärte er. »Ich bin froh, daß Eure Leute vernünftig waren.«
Der Kardinal erwiderte nichts; aber das Lächeln, mit dem er Raimund bis jetzt ständig bedacht hatte, brachte er auch nicht zustande. Raimund sagte über die Schulter: »Philipp,sammle alle Riemen ein, die du findest, und fessle die Männer an Bäume.«
Philipp stieg vom Pferd, erstaunt, daß seine Beine ihn trugen und daß seine Hände imstande waren, vernünftige Arbeit zu leisten. Er löste Decken und Provianttaschen von den an den Baum gebundenen Pferden, die sich ob der unwillkommenen Enge gegenseitig drängten und stießen, und schnitt die Lederriemen ab, die sie an den Sätteln hielten. Dann drängte er sich durch eine Lücke im Gesträuch zu einer Gruppe junger Bäume, die nahe beieinander standen, und winkte den ersten Mann zu sich. Er ließ ihn den Baumstamm mit den Beinen umklammern und band ihn so sitzend fest; die Hände fesselte er ihm auf dem Rücken. Auf diese Weise füllte er sämtliche Bäume bis auf einen Mann. Es trat nur eine Verzögerung ein, als dem Verletzten der Bolzen aus der Achsel gezogen wurde und jemand dem halb Bewußtlosen ein Knäuel Moos auf die Wunde drückte und mit einem der Lederriemen festband. Als der letzte Mann sich anschickte, zu Philipp zu gehen, schüttelte Raimund den Kopf.
»Er kommt mit uns«, sagte er. Der Mann preßte die Lippen zusammen und schluckte.
Der Kardinal gab sich einen Ruck und zwängte sich zu Philipp durch das Gebüsch. Er trat zu einem freien Baum, stellte sich mit dem Rücken dagegen und legte die Arme von hinten um den Stamm.
»Tut mir die Schande nicht an, mich wie einen gemeinen Verbrecher zu fesseln«, sagte er ruhig. Philipp sah zu Raimund hinüber, und dieser nickte. Philipp band den Kardinal aufrecht an den Baum.
Raimund winkte den letzten freien Knecht des Kardinalszu sich und band ihm die Hände auf den Rücken. Dann trat er zurück.
Seine Schultern sanken plötzlich nach unten.
»Ihr könnt herauskommen«, sagte er kaum hörbar. Die beiden Bewaffneten, die seine Begleitung gewesen waren, wanden sich an zwei unterschiedlichen Stellen aus dem Gebüsch, Zweige und Blätter in die Waffenhemden und Helme gesteckt wie zwei zerzauste, vom Wind fast entlaubte Bäume. Nur einer von ihnen trug eine Armbrust, der andere war lediglich mit seinem Spieß bewaffnet.
Philipps Augen weiteten sich. Giovanni da Uzzano lachte leise.
»Sehr geschickt gemacht, Raimund«, sagte er. »Natürlich keineswegs ritterlich, aber äußerst effizient.«
»Wir beide wissen, wann Ritterlichkeit und wann Effizienz angebracht ist.«
Der Kardinal nickte. »Allerdings.« Er zauberte sein Lächeln wieder auf sein Gesicht. »Was nun?«
»Wir nehmen Euren Knecht mit uns. Wenn wir genug Vorsprung haben, lassen wir ihn frei. Er kann zurücklaufen und Euch alle losbinden.«
»Bis wir Euch einholen können, habt Ihr Euren Hof erreicht; und wer Euch dort belagern wollte, wäre ein Dummkopf.«
»Das ist wahr.«
»Wenn Strauchdiebe kommen, sind wir vollkommen wehrlos«, sagte der Kardinal und wies mit dem Kinn auf seine gefesselten Männer.
»Hier gibt es keine Strauchdiebe. Hier ist noch nie jemand vorbeigekommen, den zu überfallen sich gelohnt hätte.« »Raimund, warum tut Ihr dies alles?«
»Um Philipp zu befreien, was sonst?«
»Das meine ich. Ist er Euch mehr wert als unsere Freundschaft?«
Raimund schwieg. Er verzog das Gesicht, als würde ihn ein Zahn schmerzen. Schließlich sagte er leise: »Ich bin es ihm schuldig.«
Giovanni da Uzzano sah von Philipp zu Raimund und wieder zurück. Er nickte langsam.
»Ich sehe«, sagte er, und dann brach er plötzlich in Lachen aus.
»Das war mein Fehler, schätze ich. Ich habe nicht genau genug hingesehen. Lebt wohl, mein Freund.«
Am Ende des Waldes wartete Raimund, sein Pferd noch immer dampfend von dem scharfen Ritt, den er ihm aufgezwungen hatte, ohne auf seine langsameren Begleiter zu achten. Der Tag neigte sich bereits deutlich dem Abend zu. Der Weg durch den Wald war lang gewesen, und Philipp war ihn mit einem nur langsam weichenden Gefühl der Betäubung geritten. Philipp lenkte seinen Gaul an seine Seite, und Raimund zog den Kopf seines Tieres herum und paßte seinen Schritt dem von Philipps Pferd an.
»Ich möchte die gleiche Frage stellen wie der
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