Der Jet-set-Dämon
noch vor dem Anbruch der Dunkelheit.«
»Das will ich doch hoffen.«
Als wären meine Worte so etwas wie ein Aufputschmittel gewesen, beschleunigte Suko, als hätte er den Rundkurs von Monte Carlo vor sich. Nach der zweiten Kurve mußte er bremsen, denn der auf der Straßenmitte gehende Esel störte sich nicht um unseren Wagen. Er trottete weiter, begleitet von zwei alten Männern, die den Rücken des Esels mit Körben bedeckt hatten, in denen Gemüse steckte. Erst als die Schwanzspitze des Tieres fast gegen unsere Kühlerhaube klatschte, wurde der Esel nach rechts gezogen, so daß wir an ihm vorbeikonnten.
»Damit mußt du hier rechnen«, sagte ich.
»Deshalb fahre ich auch vorsichtig.«
Die Sicht nach vorn war klar. Hinter uns allerdings quoll eine Staubwolke hoch, die der uns folgende Esel zu schlucken bekam. Manchmal, wenn die Straße breiter wurde und wir an den Hängen und Felsen vorbeischauen konnten, glitt unser Blick hinein in das weite Gelände mit seinen Tälern, kleinen Orten, Bergen und auch Schluchten. Es wurde wieder eng, als uns zwei Wagen entgegenkamen. Einer davon war ein LKW, ein Bauwagen. Der Fahrer hupte und drückte uns rechts fast an die Wand. Die auf der Ladefläche sitzenden Bauarbeiter hatten ihren Spaß, als sie uns nachlachten.
Nach der nächsten Kurve sahen wir den Ort. Ein kleines, verstaubt wirkendes Dorf, das die Zeit vergessen zu haben schien. Die Mittagspause lag allerdings schon einige Zeit zurück, deshalb herrschte verhältnismäßig reger Betrieb.
Und so klein, wie er aus der Ferne ausgesehen hatte, war der Ort auch nicht. Er besaß ungefähr in der Mitte einen Platz, der als Treffpunkt der Dorfbewohner diente.
So etwas findet man in südlichen Ländern oft, auch in den großen Städten, aber dort sitzen dann Männer und Frauen gemeinsam. Hier sahen wir nur Männer. Von Halbwüchsigen bis hin zu Greisen, die ihre gekrümmten Hände auf Knotenstöcke stützten und unserem Wagen unter den Schirmen der Mützen hinweg nachschauten. Suko fuhr einen Halbkreis und parkte auf dem Platz. Wenn ich der Karte Glauben schenkte, waren wir von Neapel aus in einem Bogen nach Südwesten gefahren und mußten uns nicht mehr weit von der Küste entfernt befinden.
Vom Platz zweigten Gassen und Treppen ab, die zu den höher gelegenen Häusern führten. Dort wollten wir nicht hin. Wenn man in einem italienischen Dorf etwas erfahren kann, dann auf dem Marktplatz. Zwei Lokale entdeckten wir ebenfalls. Aus dem letzten trat ein junger Mann und schleppte ein mit Getränken vollgestelltes Tablett. Wein und Wasser waren reichlich vertreten.
Da wir ihm praktisch in den Weg liefen, bot er uns ebenfalls ein Glas an. Wir nahmen ein Wein-Wasser-Gemisch, Suko zahlte, wir tranken. Das Gemisch aus Wasser und Wein, das aussah wie verdünntes Blut, schmeckte hervorragend und löschte auch den ersten Durst. Mit den halbvollen Gläsern in den Händen schlenderten wir dort hin, wo die Alten saßen. Die Jüngeren hatten andere Plätze eingenommen. Sie diskutierten über Motorräder und Mädchen.
Wer das Glück hatte, einen Feuerstuhl sein eigen nennen zu können, hockte natürlich lässig im Sattel und nicht auf dem warmen Stein des Brunnenrandes, wo wir unsere Plätze fanden.
Man schaute uns an, nickte grüßend, sprach aber nicht, das überließen die Einheimischen uns.
Hier hatte man Zeit, wir dafür weniger, aber wir hielten uns an die Spielregeln, sprachen über das Wetter und erfuhren, daß es für Mai auch hier zu warm war.
Man redete von einem heißen Sommer, wo alles verbrennen würde. Ich kam allmählich zum Kern unseres Besuchs, allerdings auf Umwegen und redeten davon, daß uns alte, italienische Schlösser so faszinierten, daß wir einen Bericht darüber schreiben wollten.
»Und das druckt jemand?« fragte uns ein Mann mit Schiebermütze. Er trug einen uralten, unmodernen Anzug mit feinen weißen Streifen und unter der Jacke nur ein Unterhemd.
»Ja, es gibt da Zeitungen.«
»Hier in Italien?«
»Auch.«
»Wir lesen hier nur etwas über Sport. Die Azurri müssen wieder Weltmeister werden.«
»Vielleicht. Bis dahin wollen wir unseren Bericht auch fertig haben. Man erzählte uns, daß es auch hier in der Nähe ein altes Schloß oder eine alte Burg geben sollte.«
Der Mann schüttelte den Kopf. Als der junge Mann mit einem erneut gefüllten Tablett vorbeikam, bestellte ich eine Runde. Man nahm die Getränke gern an. Nachdem wir uns zugeprostet hatten, sagte ich mein Sprüchlein noch einmal
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