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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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sich inzwischen von seiner Nichte getrennt hatte. Die gebrochenen Herzen waren jedoch nicht der einzige Grund für Vigors Zurückhaltung gewesen. Der Mann erinnerte ihn ebenso wie dieser Turm an eine blutige Vergangenheit, die er vergessen wollte.
    Jetzt aber hatte sich die Lage geändert.
    Das Drachenzeichen leuchtete vor seinem geistigen Auge, eine schreckliche Warnung.
    Er brauchte Hilfe.

4. Juli, 23:44
Takoma Park, Maryland
    »Gray wärst du so nett, mal den Müll rauszubringen?«
    »Wird gemacht, Mom.«
    Im Wohnzimmer nahm Commander Gray Pierce eine leere Flasche Sam Adams vom Tisch, die von der 4.-Juli-Feier seiner Eltern übrig geblieben war, und klemmte sich den Mülleimer unter den Arm. Zumindest ging die Party allmählich ihrem Ende entgegen.
    Er sah auf die Uhr. Fast schon Mitternacht.
    Gray sammelte zwei weitere Bierflaschen vom Dielentisch auf, blieb vor der offenen Tür stehen und genoss einen Moment die frische Luft, die durchs Fliegengitter hereinströmte. Es roch nach Jasmin und ein wenig nach dem Schwarzpulver der Feuerwerkskörper, die auf der Straße hochgegangen waren. In der Ferne waren noch ein paar Heuler und Kracher zu hören. Im Nachbarhof bellte ein verstörter Hund.
    Nur noch wenige Gäste hielten sich auf der Vorderveranda des
Bungalows seiner Eltern auf, fläzten sich in Sesseln oder beugten sich über das Geländer und genossen nach dem heißen Sommertag in Maryland die Kühle. Zuvor hatten sie sich das Feuerwerk angeschaut. Anschließend hatten sich die Partygäste allmählich zerstreut. Nur die Ausdauerndsten waren geblieben.
    Unter anderem auch Grays Chef.
    Direktor Painter Crowe lehnte an einem Stützpfosten und hatte sich einem Lehrassistenten entgegengeneigt, der für Grays Mutter arbeitete. Der Lehrassistent war ein ernster junger Mann aus dem Kongo, der ein Stipendium an der George Washington University hatte. Painter Crowe hatte sich bei ihm nach dem Stand der Feindseligkeiten in seinem Heimatland erkundigt. Offenbar hielt der Leiter von Sigma selbst bei einer Party den Finger am Puls der Welt.
    Deshalb war er auch ein solch guter Direktor.
    Die Sigma Force war der verdeckte Arm der DARPA, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Verteidigungsministeriums. Sie hatte die Aufgabe, für die nationale Sicherheit relevante Technologien zu schützen oder gegebenenfalls unschädlich zu machen. Dem Team gehörten handverlesene ehemalige Angehörige der Spezialeinsatzkräfte an, die spezielle Studiengänge mit Doktorabschluss absolviert hatten und eine schlagkräftige Truppe mit wissenschaftlichem Sachverstand bildeten. Sie waren, wie Monk, Grays Freund und Teamkollege, zu scherzen pflegte, Killerwissenschaftler.
    Direktor Crowe trug somit große Verantwortung, und seine einzige Entspannung am heutigen Abend war anscheinend das Glas Single-Malt-Scotch auf dem Verandageländer. Daran nippte er schon die ganze Zeit. Als spürte er Grays prüfenden Blick, nickte er ihm durch die Tür hindurch zu.
    Im trüben Schein der Windlichter wirkte der Direktor in seiner dunklen Freizeithose und dem gebügelten Leinenhemd wie aus Stein gemeißelt. Sein kantiges Gesicht verriet seine Abstammung von den Ureinwohnern Amerikas.
    Gray suchte in seinem faltenlosen Gesicht nach Rissen, denn er wusste, unter welchem Druck der Direktor stand. Die Organisationsstruktur von Sigma war von der NSA und der DARPA erst
kürzlich einer umfassenden Prüfung unterzogen worden, und nun braute sich in Südostasien eine neue Krise zusammen. Deshalb tat es ihm gut, einmal aus den unterirdischen Büros von Sigma herauszukommen.
    Und sei es auch nur für einen Abend.
    Allerdings verlor er seine Pflichten auch heute nicht aus dem Blick.
    Wie zum Beweis streckte sich Painter, stieß sich vom Geländer ab und wandte sich zur Tür. »Ich muss allmählich los!«, rief er Gray zu und sah auf seine Armbanduhr. »Ich glaube, ich schaue noch mal im Büro vorbei und vergewissere mich, ob Lisa und Monk wohlbehalten an ihrem Bestimmungsort angekommen sind.«
    Die beiden Wissenschaftler Dr. Lisa Cummings und Monk Kokkalis sollten ein Krankheitsphänomen untersuchen, das auf den indonesischen Inseln aufgetaucht war. Die beiden Sigma-Agenten, die offiziell als Helfer der Weltgesundheitsorganisation WHO auftraten, waren heute Morgen abgereist.
    Gray drückte die Fliegentür auf, trat auf die Veranda hinaus und schüttelte seinem Chef die Hand. Painters Interesse an den beiden hatte nicht allein dienstliche Gründe. Sein Gesicht

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