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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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hatte, wurde ihr das wahre
Ausmaß der Katastrophe bewusst. Vor zwei Wochen waren die ersten Symptome aufgetreten, Verbrennungen nach unmittelbarem Hautkontakt. Innerhalb von zwei Tagen hatte das Meer eine ätzende Giftgaswolke ausgespien, der ein Fünftel der Inselbevölkerung zum Opfer gefallen war. Der Rest hatte Verletzungen davongetragen.
    Das giftige Gas hatte sich rasch wieder verflüchtigt, doch bei den Betroffenen waren Folgeerkrankungen und Infektionen aufgetreten: Grippe, hohes Fieber, Meningitis, Erblindung. Der schnelle Krankheitsverlauf war erschreckend. Das ganze dritte Deck war in eine Quarantänestation umgewandelt worden.
    Was ging hier vor?
    Bei Ausbruch der Krise hatte Lisa Painter gebeten, sie zu diesem Einsatz einzuteilen. Sie besaß nicht nur einen Doktortitel in Medizin, sondern hatte zusätzlich in Humanphysiologie promoviert. Vor allem aber verfügte sie über Einsatzerfahrung, und zwar speziell auf dem Gebiet der Meereswissenschaften. Auf dem Bergungsschiff Deep Fathom hatte sie fünf Jahre lang physiologische Forschungen durchgeführt.
    Das war ein starkes Argument, das für ihre Beteiligung am Einsatz gesprochen hatte.
    Doch es war nicht ihr einziges gewesen.
    Das vergangene Jahr über hatte Lisa in Washington gesessen und dabei festgestellt, dass sie immer mehr von Painters Leben vereinnahmt wurde. Einerseits genoss sie die intime Zweisamkeit, andererseits wollte sie um ihrer selbst und um ihrer Beziehung willen mal wieder auf Abstand gehen, aus Painters Schatten heraustreten und ihre Beziehung aus der Ferne begutachten.
    Aber vielleicht war die Entfernung doch ein bisschen groß...
    Ein durchdringender Schrei lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Schwingtür des Speisesaals. Zwei Seeleute schleppten einen Mann auf einer Trage herein. Er wand sich und schrie, seine krebsrote Haut nässte. Er sah aus, als sei er bei lebendigem Leib gekocht worden. Die Krankenträger brachten ihn zur Notversorgung.
    Wieder ganz bei der Sache, ging sie im Kopf die erforderlichen Behandlungsschritte durch. Diazepam und eine Morphiuminfusion. Dabei kannte sie die Wahrheit bereits. Alle kannten sie. In
diesem Fall kam nur eine reine Schmerzbehandlung in Frage. Der Mann auf der Trage war bereits so gut wie tot.
    »Jetzt gibt’s Ärger«, murmelte hinter ihr Jessie.
    Lisa drehte sich um und erblickte Dr. Gene Lindholm, ein wahrer Strauß von Mann, mit langen Beinen, langem Hals und schneeweißem Haarschopf. Der Leiter des WHO-Teams gab mit einem Kopfnicken zu erkennen, dass er mit ihr sprechen wollte.
    Was nun?
    Sie mochte den an der Harvard-Universität ausgebildeten Arzt nicht besonders, denn er verfügte über ein entsprechendes Ego. Nach seiner Ankunft hatte er nicht etwa bei der Erstversorgung ausgeholfen, sondern sich erst einmal mit dem australischen Milliardär Ryder Blunt, dem Eigner des Kreuzfahrtschiffs, zusammengesetzt. Der für seine hemdsärmlige Art berüchtigte Milliardär hatte sich an Bord aufgehalten, um an der Jungfernfahrt teilzunehmen. Als das Schiff beschlagnahmt wurde, hätte er von Bord gehen können, war aber geblieben, weil er den Rettungseinsatz zu Marketingzwecken nutzen wollte.
    Und Lindholm war darauf eingegangen.
    Die Kooperation schloss Monk und Lisa allerdings nicht ein. Der WHO-Leiter war mit ihrer Beteiligung an dem Einsatz nicht einverstanden gewesen. Doch ihm blieb keine andere Wahl, als sich zu fügen - das bedeutete allerdings nicht, dass er sie mit offenen Armen empfangen hätte.
    »Dr. Cummings, es freut mich zu sehen, dass Sie hier der Muße frönen.«
    Lisa verkniff sich eine Entgegnung.
    Jessie schnaubte.
    Lindholm blickte den Krankenpflegerschüler an, als sehe er ihn zum ersten Mal, dann wandte er sich wieder Lisa zu.
    »Ich habe Anweisung, Sie und Ihren Kollegen über alle epidemologischen Erkenntnisse auf dem Laufenden zu halten. Und da Dr. Kokkalis draußen im Einsatz ist, wende ich mich an Sie.«
    Er reichte ihr einen dicken Aktenordner. Auf den Deckel war das Logo des kleinen Krankenhauses aufgedruckt, das die Weihnachtsinsel versorgte. Lediglich zwei Krankenschwestern arbeiteten dort Vollzeit, die Ärzte standen in Bereitschaft. Folglich war
das Krankenhaus alsbald überfordert gewesen, und man hatte die schwereren Fälle per Hubschrauber nach Perth gebracht. Je weiter sich die Krise ausweitete, desto spürbarer machten sich die Engpässe bemerkbar. Als das Kreuzfahrtschiff auftauchte, war das Krankenhaus als Erstes evakuiert worden.
    Lisa klappte den Ordner

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