Der Judas-Code: Roman
Stimmung stiegen am Horizont dunkle Rauchwolken auf.
Als Monk sich ihm näherte, würdigte ihn der Milliardär keines Blickes. Es war typisch für die Reichen, das Personal geflissentlich zu übersehen. Oder vielleicht wollte er auch nur seine Verachtung demonstrieren, weil ihm ein Pirat das Essen servierte. Der Butler hatte ihm bereits einen Beistelltisch gebracht.
Silberbesteck, Kristallgläser und gebügelte Stoffservietten.
Monk beugte sich vor, stellte das Tablett ab und flüsterte auf Englisch: »Lassen Sie sich nichts anmerken. Ich bin Monk Kokkalis, der Kollege der amerikanischen Vertreterin.«
Der Milliardär paffte heftiger, das war alles. »Dr. Cummings’ Partner«, seufzte er. »Wir dachten schon, Sie wären tot. Die Piraten haben nach Ihnen gesucht...«
Monk hatte keine Zeit für lange Erklärungen. »Ja... die haben’s mit den Krabben zu tun bekommen.«
Der Butler erschien in der Tür.
Ryder winkte ab und sagte mit lauter Stimme: »Das wäre dann alles, Peter. Ich danke Ihnen.«
Monk stellte die Speisen auf den Tisch. Unter einer silbernen Speiseglocke kamen zwei kleine Funkgeräte zum Vorschein. »Ein Gericht speziell für Sie und Lisa.« Er deckte die Funkgeräte wieder zu und hob die zweite Glocke an. »Und natürlich gibt es auch ein Dessert.«
Zwei kleinkalibrige Pistolen.
Eine für Ryder und eine für Lisa.
Der Milliardär machte große Augen. Monk sah, dass er begriffen hatte.
»Wann...?«, fragte Ryder.
»Wir sprechen uns über Funk ab. Kanal acht. Den benutzen die Piraten nicht.« Monk und Jessie hatten den ganzen Tag lang auf diesem Kanal gefunkt, ohne dass es aufgefallen wäre. »Können Sie ein Funkgerät und eine Pistole an Lisa weiterreichen?«
»Ich werd’s versuchen«, antwortete Ryder mit einem entschlossenen Kopfnicken.
Monk richtete sich auf. Er wagte es nicht, noch länger zu verweilen, denn er wollte die Wachposten nicht misstrauisch machen. »Ah, unter der dritten Glocke ist übrigens Reispudding.«
Monk trat wieder in den Salon. Hinter ihm brummte Ryder: »Ein widerliches Zeug... wie kann man nur Reis in den Pudding tun?«
Monk seufzte. Die Reichen waren nur dann glücklich, wenn sie sich beklagen konnten. Er trat durch die Doppeltür auf den Gang. Einer der Wachposten fragte ihn etwas auf Malaiisch.
Statt zu antworten, bohrte Monk sich geschäftig in der Nase, brummte etwas Unverständliches und ging zum Aufzug weiter.
Zum Glück war der Lift noch da, und die Tür öffnete sich augenblicklich. Als er hindurchtrat, setzte gerade der nächste ABBA-Song ein.
Er stöhnte auf.
Das Funkgerät zirpte. Monk löste es vom Gürtel und hielt es sich an den Mund. »Wer ist da?«, sagte er.
»Wir treffen uns im Zimmer«, sagte Jessie. »Ich bin schon unterwegs.«
Sie hatten eine freie Kabine zu ihrem Hauptquartier gemacht.
»Was gibt’s denn?«
»Ich habe gerade gehört, dass der Kapitän beabsichtigt, heute Abend einen Hafen anzulaufen. Die Maschine läuft unter voller Kraft, weil er noch vor Anbruch der Dämmerung dort eintreffen will. Der Wetterdienst meldet ein Sturmtief, das über die indonesischen Inseln hinwegzieht und sich zu einem Taifun entwickelt. Deshalb müssen sie in den Hafen gehen.«
»Wir treffen uns in der Kabine«, sagte Monk und schaltete ab.
Er hakte das Funkgerät wieder an den Gürtel und schloss die Augen. Endlich hatten sie mal Glück. Er überschlug die Optionen, während er mit dem Mund unwillkürlich die Worte »Take a Chance on Me« formte.
Eigentlich ein ganz hübscher Song.
13:02
Lisa blickte auf die Patientin nieder. Sie trug ein blaues Krankenhausnachthemd und war mit allen möglichen Überwachungsgeräten verkabelt. Im angrenzenden Zimmer warteten zwei Krankenpfleger.
Lisa hatte darum gebeten, sie einen Moment mit der Frau allein zu lassen.
Jetzt stand sie am Krankenbett und kämpfte mit Schuldgefühlen.
Lisa kannte die Krankendaten auswendig: weiß, weiblich, eins zweiundsechzig groß, fünfundfünfzig Kilo, blondes Haar, blaue Augen, Blinddarmnarbe an der linken Seite. Auf den Röntgenaufnahmen sah man einen längst verheilten Bruch des linken Unterarms. Die biografischen Nachforschungen der Gilde hatten sogar die Ursache des Knochenbruchs enthüllt: Er stammte von einem Skateboardunfall auf einem unebenen Gehsteig.
Lisa hatte sich die Blutwerte der Patientin eingeprägt: Leberenzyme, Harnstoff-Stickstoff, Kreatininkoeffizient, Gallenwerte, rote und weiße Blutkörperchen. Sie kannte die Ergebnisse der letzten
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