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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Genugtuung, wenn dieser Justus tot oder verschollen geblieben wäre. Er wäre neben dem Mädchen Dorion gelegen ohne Glück, er hätte sein Buch geschrieben ohne Glück. Jetzt ist der Mann da, sich mit ihm zu messen, der einzige, um den es lohnt. »Ihr Doktor Josef ist ein Lump.« Ein Wort schmeckt anders im Ohr als im Mund, daran hätte der Mann denken müssen. Es ist eine große Ruhe in Josef, Erfüllung, Leichtigkeit. Er schläft gut und lange, fast bis zum Mittag.
      Er geht ans Lager des Justus. Die Ärzte schweigen sich noch immer aus. Josef geht nicht vom Lager weg. Den ganzen Tag liegt der Gelbgesichtige ohne Bewußtsein. Am zweiten Tag beginnt er zu phantasieren, er sieht grauenvoll aus. Die Ärzte zucken die Achseln, rechnen nicht mehr damit, daß er davonkommt. Josef sitzt am Lager. Er ißt nicht, er wechselt das Kleid nicht, es kräuselt sich um seine Wangen. Er rechtet mit Jahve. Warum hat er ihn geschont durch soviel wilde Wechselfälle, wenn er ihm jetzt die große Auseinandersetzung mit Justus nicht gönnen will? Der Prinz schickt nach ihm. Berenike schickt nach ihm, er möge nach Thekoa kommen. Josef hört nicht. Er sitzt am Lager des Justus, starrt auf den Kranken, wiederholt die Gespräche, die er mit ihm gehabt hat. Das große Gespräch ist nicht zu Ende. Justus darf nicht sterben.
      Am vierten Tag der Pflege nehmen die Ärzte dem Mann den linken Unterarm ab. Am achten erklären sie ihn für gerettet.

    Josef, nun er den Justus außer Gefahr wußte, ging fort von seinem Lager, ließ eine Summe Geldes zurück, kümmerte sich nicht weiter um den Mann. So geltungssüchtig er war, es lag ihm nichts daran, sich dem Justus als Lebensretter zu zeigen. Das große Gespräch mit Justus wird eines Tages fortgesetzt werden, das genügte.
    Um diese Zeit bat Titus den Josef um einen Dienst. Der
    Prinz freute sich dessen, was er in Thekoa errungen hatte; aber er fühlte sich immer noch unsicher in allem, was diese jüdische Frau anging. Er wagte sich nicht weiter vor. Was soll sein, wenn er nun das Land verläßt? Er beauftragte Josef, bei Berenike vorzufühlen, ob sie mit nach Rom kommen wolle.
      In dem verwahrlosten Haus von Thekoa standen sich Josef und Berenike gegenüber, einer so kahl wie der andere. Hat nicht ihr ganzes Leben, ihr Wegwurf an die Römer, Sinn gehabt nur als Versuch, den Tempel zu retten? Der Tempel ist hin, sie sind Muscheln ohne Schale. Aber sie sind aus dem gleichen Stoff, und sie schämen sich, einer vor dem andern, ihrer Blöße nicht. Nackt und rechnerisch betrachten sie ihre Armut. Es gilt jetzt, ohne den Hintergrund eines Stammes mit eigenen Fähigkeiten sich neuen Boden zu schaffen. Er hat sein Buch und seinen Ehrgeiz, sie hat Titus und ihren Ehrgeiz. Ihrer beider Zukunft ist Rom.
      Ja, gewiß wird sie nach Rom gehen.
      Dem Prinzen war die Zusage der Frau eine große Bestätigung. Er fühlte sich Josef zu Dank verpflichtet. »Besitzen Sie nicht Terrains in der Neustadt, mein Josef?« fragte er. »Auch von Ihrem Vater müssen Sie Grundbesitz geerbt haben. Ich werde allen Boden in Jerusalem enteignen für die Legion, die ich als Besatzung hierherlegen will. Geben Sie mir eine genaue Aufstellung Ihrer Verluste. Ich werde Ihnen aus dem konfiszierten Boden im Land Ersatz anweisen.« Josef freute sich über dieses Geschenk. Mit kaltem, nüchternem Geschäftssinn regelte er seine judäischen Angelegenheiten. Er wollte klare Verhältnisse hinter sich haben, nun er das Land verließ.
      Titus schleifte Jerusalem vollends, wie es einstmals die siegreichen Heerführer mit den Städten Karthago und Korinth gemacht hatten. Nur die Türme Phasael, Mariamne und Hippikus sowie einen Teil der Westmauer ließ er stehen zum Zeichen, wie herrlich und stark befestigt die Stadt gewesen war, die seinem Glück hatte erliegen müssen.

    Am 24. Oktober, anläßlich des Geburtstags seines Bruders Domitian, des Früchtchens, veranstaltete Titus im Stadion von Cäsarea Festspiele, für die er aus dem Überfluß der jüdischen Gefangenen Menschenmaterial in besonderer Üppigkeit zur Verfügung stellte. »Komm und sieh!« sagte er zu Josef. Josef kam.
      Nachdem alle zweitausendfünfhundert Teilnehmer durch die Arena geführt waren, mußten zunächst zwei Haufen Juden, die einen als Verteidiger, die andern als Angreifer, die Erstürmung einer Stadtmauer darstellen. Sie stachen aufeinander ein, die bärtigen, jämmerlichen Menschen, warfen sich grotesk hoch, wenn sie den zaghaften Todesstreich

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