Der Jünger
flehten.
Jay warf das Rohr so weit weg, wie er konnte, dann torkelte er auf den Raum zu, in dem Judas wartete. Er hob die Stange an, die er an der Tür befestigt hatte, und öffnete. Jude saß am anderen Ende des Zimmers auf dem Boden. Als sie den Priester sah, brach sie in eine Tirade von Flüchen aus. Ihre Schimpfworte stachelten den Aufruhr im Hochofen noch mehr an.
Jay starrte ihn an. Er konnte nicht anders. Dieser Mann war gewaltig – mit so kräftigen Bizepsen, dass sie die Ärmel des T-Shirts aufgesprengt hatten. Die Schenkel wirkten wie zwei stämmige Bäume. Der Gedanke daran, von einer solchen Masse Mensch gehasst zu werden, war Furcht einflößend. Am liebsten hätte Jay laut aufgeheult. Er verstand es nicht. Alles hätte so wunderbar sein sollen – leben, wie Jesus gelebt hatte. Stattdessen entwickelte sich sein Plan immer mehr zu einem Albtraum.
“Verdammter Hurenbock! Ich bring dich um, wenn du mich anfasst!”, brüllte Jude.
“Du verstehst nicht”, murmelte Jay. “Von mir droht dir keine Gefahr. Du bist mein Jünger … Mein Judas.”
“Ich bin überhaupt nicht dein sonst was!”, entgegnete Jude aufgebracht und riss an den Ketten, die sie fesselten.
Das Rasseln der Metallglieder hallte von einer Seite in Jays Schädel zur anderen wider. Er schüttelte den Kopf und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, als sein Blick von den voluminösen Schenkeln Judas' auf die dunkle Pfütze fiel, in der er saß. Zuerst glaubte er, es sei Urin. Doch irgendwie sah es merkwürdig aus. Mit gerunzelter Stirn ging er weiter vor, um es sich genauer anzusehen, und deutete darauf.
“Was hast du?”
Jude lachte. Dies war die äußerste Demütigung für jemanden, der im falschen Körper geboren worden war.
“Ich hab meine Periode, und ich hoffe, du freust dich. Das ist verdammt erniedrigend. Hast du das gewollt? Mich erniedrigen? Na gut, das ist dir gelungen.”
Jay starrte sie ungläubig an. Er hatte ihre Worte verstanden, aber sie ergaben keinen Sinn für ihn.
“Judas … Bitte … Was ist mit dir? Bist du krank?”
“Judas? Von welchem Planeten kommst du denn? Das ist nicht mein Name. Ich heiße Jude und ich hab dir gesagt, was los ist. Ich muss mich mit dem Scheißdreck jeden Monat rumschlagen, ob mir das passt oder nicht.”
Jay deutete auf Judes Haar und Gesicht. Die Tätowierungen, der Körper, das alles gehörte eindeutig zu einem Mann.
“Hör auf damit!”, rief er völlig verwirrt. “Männer haben keine Periode.”
Jude schnaufte, dann klatschte sie laut in die Hände. “Zum Teufel noch mal, jetzt helft diesem Idioten doch mal auf die Sprünge! Ich habe nie behauptet, ein Mann zu sein.”
Jay schnappte nach Luft. Er hielt sich die Ohren zu und drehte sich von seinem blutenden Judas weg.
“Nein, nein, nein”, flüsterte er. “Das ist unmöglich.”
Judes schallendes Gelächter verursachte einen Ton in Jays Kopf, als würde jemand mit den Fingernägeln über eine Schiefertafel kratzen.
“Das ist nicht nur möglich, sondern eine Tatsache!”, rief sie.
Jay ließ die Arme kraftlos herabsinken, während er Jude von Neuem ausgiebig musterte.
“Du bist kein Mann?”, fragte er ungläubig.
“Verdammter Mistkerl!”, schrie Jude. “Lass mich laufen, du blödes Arschloch!”
“Antworte mir!”, rief Jay. “Bist du ein Mann?”
Jude lachte und schrie gleichzeitig, während sie ihr Hemd lüftete und dann die Jeans bis zu den Knien hinunterzog, um das dunkle Büschel Haare zwischen ihren Beinen zu entblößen.
“Siehst du da unten einen Schwanz? Ich nicht. Was nicht heißt, dass ich nicht meinen rechten Arm dafür geben würde, um einen zu haben. Ich weiß nicht, was für eine Art Perverser du bist, aber du solltest mich jetzt besser umbringen, denn wenn ich jemals hier loskomme, dann reiße ich dir deinen verdammten Kopf mit bloßen Händen vom Hals.”
Jay taumelte zurück, stolperte über die Türschwelle und fiel flach auf den Rücken.
“Oh Gott … Oh nein … Ich wollte nicht … Das wusste ich nicht … Wie konnte das geschehen, dass ich …”
Jude fing erneut an zu toben, zu rasen und wild zu fluchen. Jay rappelte sich hoch und schlug die Tür zu, dann ließ er den Riegel herunter und schloss Jude wieder ein.
Jetzt klang Judes Gebrüll nur noch gedämpft an sein Ohr. Die festgeketteten Männer im Hochofen waren mut- und kraftlos wieder in die Apathie des Hungers gesunken. Nur einer von ihnen schien sich zu übergeben. Statt des großartigen Abschlusses, den Jay
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