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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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daß das ein bißchen dumm wäre, aber das ist nicht meine Schuld; und da ich bei der Schöpfung der Welt nicht um Rat gefragt worden bin, so nehme ich für mich das Recht in Anspruch, in dieser Beziehung meine eigene Meinung zu haben.«
    »Aber wie kann man Sie bei solchen Anschauungen einen Christen nennen«, rief ich, »einen Mönch mit Büßerketten, einen Prediger? Das ist mir unbegreiflich!«
    »Wer nennt mich denn so?«
    Ich erzählte es ihm; er hörte sehr aufmerksam zu, brach aber dann das Gespräch ab.
    Ich erinnere mich nicht, welcher Anlaß uns auf dieses für mich denkwürdige Gespräch gebracht hatte; aber er war dabei ordentlich hitzig geworden, was bei ihm sonst nie vorkam. Er sprach in leidenschaftlicher Erregung und ohne Spott, als ob er nicht zu mir, sondern zu einem andern redete. Aber ich glaubte ihm trotzdem wieder nicht: es war doch nicht möglich, daß er mit einem Menschen wie mir über solche Dinge ernsthaft gesprochen hätte!

Zweites Kapitel
     
I
     
    An diesem Morgen, am 15. November, traf ich ihn beim »Fürsten Serjosha«. Ich war es auch gewesen, der ihn mit dem Fürsten zusammengeführt hatte, obwohl sie auch ohne mich genug Berührungspunkte hatten (ich ziele damit auf diese früheren Geschichten im Ausland und so weiter). Außerdem hatte ihm der Fürst sein Wort darauf gegeben, ihm von der Erbschaft mindestens ein Drittel zu überlassen,was jedenfalls gegen zwanzigtausend Rubel gewesen wären. Ich erinnere mich, es befremdete mich damals sehr, daß er ihm nur ein Drittel überließ und nicht die ganze Hälfte; aber ich schwieg. Dieses Versprechen hatte der Fürst damals aus eigenem Antrieb gegeben, Wersilow hatte nicht mit der leisesten Andeutung darauf hingewirkt, kein Wort darüber geäußert; der Fürst war damit von selbst herausgekommen, und Wersilow hatte es nur schweigend hingenommen und der Sache nachher nie Erwähnung getan, ja nicht einmal eine Miene gemacht, als ob er sich an das Versprechen erinnere. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß der Fürst anfangs von ihm ganz bezaubert war, besonders von seinen Reden; er geriet geradezu in Entzücken und sprach das mir gegenüber mehrmals aus. Über sich selbst aber rief er mitunter, wenn wir unter vier Augen miteinander sprachen, beinahe verzweifelt, er sei »so ungebildet« und befinde sich »auf einem so falschen Wege«! Oh, wir waren damals miteinander noch so gut befreundet! ... Auch Wersilow gegenüber bemühte ich mich damals, über den Fürsten nur Gutes zu sagen; ich verteidigte seine Fehler, obgleich ich sie selbst sah, aber Wersilow schwieg dazu oder lächelte.
    »Wenn er Fehler hat, so besitzt er doch mindestens ebenso viele Vorzüge wie Fehler!« rief ich einmal, als ich mit Wersilow allein war.
    »Herrgott, wie du ihm schmeichelst!« erwiderte er lachend.
    »Wieso schmeichle ich ihm?« fragte ich, da ich den Sinn nicht recht verstanden hatte.
    »Ebenso viele Vorzüge! Da muß er ja nach seinem Tode heiliggesprochen werden, wenn er so viele Vorzüge hat wie Fehler!«
    Aber natürlich war es nicht ganz so gemeint. Überhaupt vermied er es damals, von dem Fürsten zu sprechen, wie auch von allem, was uns persönlich anging; hinsichtlich des Fürsten befleißigte er sich aber noch einer ganz besonderen Zurückhaltung. Ich argwöhnte schon damals, daß er auch ohne mein Wissen zum Fürsten ging und daß sie besondere Beziehungen hatten, aber ich kümmerte mich nicht weiter darum. Auch war ich nicht eifersüchtig, weil er mit ihm in viel ernsterem, sozusagen gesetzterem Ton sprach als mit mir und weniger Spott einfließen ließ; ich war damals soglücklich, daß mir das sogar gefiel. Ich entschuldigte es auch noch damit, daß der Fürst ein bißchen beschränkt war und deshalb im Gespräch Klarheit des Ausdrucks liebte und manche witzigen Wendungen überhaupt nicht verstand. Aber in der letzten Zeit hatte er angefangen, sich zu emanzipieren. Es schien sich sogar seine Einstellung zu Wersilow zu ändern, was diesem bei seiner Feinfühligkeit nicht entging. Ich schicke auch noch voraus, daß der Fürst in derselben Zeit sich auch mir gegenüber verändert hatte, sogar in recht sichtbarer Weise; es waren nur gewisse tote Formen unserer ursprünglichen, beinahe glühenden Freundschaft übriggeblieben. Indessen fuhr ich doch fort, ihn zu besuchen; wie hätte ich es übrigens auch unterlassen können, da ich nun einmal in diesen ganzen Strudel hineingeraten war? Oh, wie ungeschickt war ich damals, und kann denn wirklich

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