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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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einer solchen Sünde die Engel empfangen?«
    »Aber er war doch noch ein kleines Kind, ihm wird es nicht angerechnet.«
    »Nein, ein kleines Kind war er nicht mehr, er war doch schon herangewachsen; acht Jahre war er alt, als er das tat. Ein bißchen Rechenschaft wird er doch auch ablegen müssen.«
    Da erschrak Maxim Iwanowitsch noch mehr.
    »Aber«, sagte Pjotr Stepanowitsch, »ich habe mir das so ausgedacht: den Himmel wollen wir nicht auftun, und auch Engel zu malen ist hierbei nicht passend; aber ich werde aus dem Himmel, wie zu seiner Begrüßung, einen Strahl herabkommen lassen, nur so einen einzigen hellen Strahl: es ist ja ganz gleich, wenn nur etwas vom Himmel kommt.«
    So ließen sie denn den Strahl herabkommen. Ich habe selbst später das Bild gesehen und diesen selben Strahl und den Fluß; über die ganze Fläche hatte der Maler ihn hingezogen, ganz blau; und auch der kleine Knabe war da, beide Händchen preßte er gegen die Brust; und auch das kleine Fräulein und das Igelchen, alles hatte er dargestellt. Aber Maxim Iwanowitsch ließ damals keinen Menschen das Bild sehen, sondern hielt es in seinem Zimmer vor jedem Auge verschlossen. Die Leute in der Stadt brannten vor Begierde, das Bild zu sehen; er ließ jeden, der kam, davonjagen. Das gab ein großes Gerede. Pjotr Stepanowitsch aber war vor Stolz wie verrückt: »Ich kann jetzt geradezu alles«, sagte er, »mein Platz ist jetzt nur am Hof in Petersburg.« Er war ein sehr liebenswürdiger Mensch, aber er neigte zu maßloser Überheblichkeit. Und so ereilte ihn sein Schicksal: sobald er die ganzen zweihundert Rubel bekommen hatte, fing er gleich an zu trinken, allen Leuten sein Geld zu zeigen und zu prahlen; und als er in der Nacht betrunken war, erschlug ihn ein Kleinbürger aus unserer Stadt, mit dem er zusammen getrunken hatte, und raubte das Geld; das alles kam gleich am nächsten Morgen zutage.
    Die ganze Sache aber nahm ein so merkwürdiges Ende, daß die Leute dort auch jetzt noch viel davon reden. Auf einmal kam Maxim Iwanowitsch wieder bei jener selben Witwe angefahren: sie hatte sich am Rande der Stadt bei einer Kleinbürgerin in einem elenden Häuschen eingemietet. Diesmal ging er ins Haus hinein, trat vor sie hin und verbeugtesich bis zur Erde. Sie aber war seit jenen Schicksalsschlägen krank und konnte sich kaum bewegen. »Mütterchen«, bat er flehentlich, »ehrsame Witwe, heirate mich Unmenschen, mach es mir möglich, auf der Welt weiterzuleben!« Die sah ihn an und war mehr tot als lebendig. »Ich möchte«, sagte er, »daß uns noch ein Knabe geboren wird, und wenn uns einer geboren wird, dann bedeutet das, daß uns jener Knabe verziehen hat, dir und mir. Das hat mir der Knabe befohlen.« Sie sah, daß der Mensch nicht seinen rechten Verstand hatte, sondern wie von Sinnen war, aber sie konnte sich doch nicht beherrschen, sondern antwortete ihm:
    »Das ist lauter Torheit und nur Kleinmütigkeit. Durch diese selbe Kleinmütigkeit habe ich alle meine Kinderchen verloren. Ich kann nicht einmal Ihren Anblick ertragen, geschweige denn, daß ich eine solche lebenslängliche Qual auf mich nehmen würde.«
    Maxim Iwanowitsch fuhr wieder weg, gab aber sein Vorhaben nicht auf. Die ganze Stadt sprach laut von diesem wunderbaren Ereignis. Maxim Iwanowitsch aber schickte Brautwerberinnen zu ihr. Er ließ aus der Hauptstadt des Gouvernements zwei Tanten von sich kommen, die dort als Kleinbürgerinnen lebten. Ob es nun richtige Tanten waren oder nicht, jedenfalls waren es Verwandte von ihm, also für die Witwe eine Ehre; die fingen nun an, ihr zuzureden, suchten sie durch Schmeicheleien herumzubekommen und wichen gar nicht aus dem Hause. Er schickte auch Frauen aus der Stadt zu ihr, Kaufmannsfrauen und die Frau des ersten Geistlichen und Beamtenfrauen; die ganze Stadt drang auf sie ein; sie aber antwortete mit heftigem Widerwillen: »Ja, wenn meine Waisen noch davon lebendig würden, aber was hat es jetzt für einen Zweck? Und wie sehr würde ich mich dadurch gegen meine Waisen versündigen!« Auch den Archimandriten brachte Maxim Iwanowitsch auf seine Seite, und der gab ihr zu verstehen: »Du kannst ihn zu einem neuen Menschen machen!« Und sie entsetzte sich. Die Leute aber wunderten sich über sie: »Wie ist das nur möglich, ein solches Glück von sich zu stoßen?« Und nun hört, wodurch er schließlich ihren Widerstand doch besiegte! »Er ist doch immer ein Selbstmörder«, sagte er, »und war kein kleinesKind mehr, sondern schon

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