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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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mag es denn so sein! Wie der Wind«, sagte er, »hat sich mein Ruf überallhin verbreitet.«
    Der Archimandrit kam selbst zu ihm; er war ein ernster alter Mann und hatte im Kloster das Konvikt eingeführt. »Was ist denn mit dir?« fragte er ihn in strengem Ton. –
    »Hier steht es, was mit mir ist«, antwortete Maxim Iwanowitsch, schlug das Buch auf und zeigte dem Archimandriten die Stelle:
    »Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinenHals gehänget und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist« (Matth. l8, 6).
    »Ja«, sagte der Archimandrit, »wenn dieses auch nicht geradezu von deinem Fall gesagt ist, so steht es doch damit in Berührung. Es ist ein Unglück, wenn ein Mensch das rechte Maß verliert; ein solcher Mensch geht zugrunde. Du aber hast dich zuviel gedünkt.«
    Aber Maxim Iwanowitsch saß da wie erstarrt. Der Archimandrit blickte ihn lange an.
    »Hör zu«, sagte er, »und präge es dir wohl ein! Es stehet geschrieben: ›Die Worte eines Verzweifelten fliegen im Winde dahin.‹ Und bedenke noch dies, daß auch die Engel Gottes nicht vollkommen sind; vollkommen aber und sündlos ist nur unser Herr Jesus Christus, und ihm dienen die Engel. Du hast ja aber den Tod dieses Knaben nicht gewollt, sondern bist nur unbedachtsam gewesen. Siehst du«, sagte er, »eines verwundert mich: du hast doch so viele noch schlimmere Übeltaten begangen, hast so viele Menschen an den Bettelstab gebracht, so viele ins Verderben gestürzt und zugrunde gerichtet, ebenso als hättest du sie totgeschlagen. Und sind nicht gerade die Schwestern dieses Knaben noch vor ihm alle dahingestorben, all die vier kleinen Kinderchen, und fast vor deinen Augen? Woher kommt es nun, daß dich gerade der Tod dieses einen so ergriffen hat? Alle früheren hast du ja, wie ich glaube, nicht bemitleidet; ja, du hast wohl nicht einmal an sie gedacht. Warum hat dich denn der Tod dieses Knaben so verstört, obwohl du doch daran nicht so besondere Schuld trägst?«
    »Ich träume von dem Knaben«, antwortete Maxim Iwanowitsch.
    »Nun, und?«
    Aber der teilte ihm weiter nichts mit, sondern saß da und schwieg. Der Archimandrit wunderte sich, mußte aber wegfahren, ohne mehr gehört zu haben: es war da weiter nichts zu machen.
    Und Maxim Iwanowitsch ließ den Lehrer, jenen Pjotr Stepanowitsch, zu sich rufen; seit dem Unglückstag hatten sie einander noch nicht wiedergesehen.
    »Denkst du daran?« sagte er.
    »Ja, ich denke daran«, antwortete der andere.
    »Du hast«, sagte er, »hier für ein Wirtshaus Bilder mit Ölfarbe gemalt, und auch von dem Porträt des Bischofs hast du eine Kopie gemacht. Kannst du mir ein Bild mit Ölfarbe malen?«
    »Ich kann alles«, sagte der, »ich besitze jedes Talent«, sagte er, »und kann alles.«
    »Nun, dann male mir ein ganz großes Bild, so groß wie die ganze Wand, und male darauf vor allen Dingen den Fluß und den Abhang und die Fähre, und es müssen auch alle Leute, die damals mit dabei waren, die müssen auch mit darauf sein. Auch die Frau Oberst und das Mädchen müssen mit darauf sein, und auch der kleine Igel. Und auch das andere Ufer male mir hin, daß man es sehen kann, wie es wirklich ist: die Kirche und der freie Platz und die Läden und wo die Droschken stehen – alles male mir so, wie es ist. Und da, bei der Überfahrt, den Jungen, dicht am Fluß, an eben jener Stelle, und er soll unbedingt die beiden Fäustchen so gegen die Brust drücken, gegen die beiden Brustwarzen. So soll es unbedingt sein. Und auf dem anderen Ufer mußt du vor ihm über der Kirche den Himmel auftun, und alle Engel im Himmelreich müssen ihm entgegenfliegen. Kannst du das darstellen oder nicht?«
    »Ich kann alles.«
    »Nicht als ob ich so einen Stiesel wie dich nötig hätte; ich könnte mir auch den ersten Maler aus Moskau kommen lassen oder meinetwegen sogar aus London, aber du hast sein Gesicht im Gedächtnis. Wenn er unähnlich wird oder nur wenig ähnlich, dann gebe ich dir nur fünfzig Rubel, aber wenn er ganz ähnlich wird, dann gebe ich dir zweihundert Rubel. Denk daran: die Augen waren blau ... Und es soll ein ganz, ganz großes Bild werden.«
    Es wurden alle Vorbereitungen getroffen, und Pjotr Stepanowitsch fing an zu malen, aber auf einmal kam er wieder an:
    »Nein«, sagte er; »in der Weise kann man das nicht malen.«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil diese Sünde, der Selbstmord, die größte von allen Sünden ist. Wie können ihn denn nach

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