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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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herangewachsen, und bei seinem Alter hätte man ihn direkt vom heiligen Abendmahl ausgeschlossen, und daher hat er für seine Tat doch bis zu einem bestimmten Grade Gott dem Herrn Rechenschaft abzulegen. Wenn du aber meine Ehefrau wirst, so tue ich ein großes Gelübde: ich werde ein neues Gotteshaus erbauen, einzig und allein zum ewigen Gedächtnis seiner Seele.« Dem konnte sie nicht widerstehen, und sie willigte ein. So wurden sie denn getraut.
    Und es kam so, daß sich alle wunderten. Sie lebten gleich vom ersten Tage an in großer, ungeheuchelter Eintracht, beobachteten gewissenhaft ihre Pflichten als Eheleute und waren wie eine Seele in zwei Leibern. Sie wurde schon in demselben Winter schwanger, und sie besuchten nun viele Gotteshäuser und zitterten vor Gottes Zorn. Sie waren auch in drei Klöstern und merkten auf die Prophezeiungen, die sie da erhielten. Er erbaute seinem Gelübde gemäß eine Kirche und errichtete in der Stadt ein Krankenhaus und ein Armenhaus. Er setzte ein Kapital aus für Witwen und Waisen. Und er gedachte an alle, die er geschädigt hatte, und suchte es wiedergutzumachen; er gab in maßloser Weise Geld hin, so daß schon seine Frau und der Archimandrit ihm Einhalt taten und sagten: »Das ist bereits völlig ausreichend.« Maxim Iwanowitsch gehorchte ihnen, nur sagte er: »Ich habe damals Foma zuwenig Lohn gegeben.« Nun, Foma bekam das Seinige. Foma aber fing geradezu an zu weinen und sagte: »Ich war ja auch so schon ... ich war auch ohne das ganz zufrieden und werde lebenslänglich für Sie beten.« Alle waren durch dieses Verhalten ganz gerührt, und es bestätigte sich die Wahrheit des Sprichworts, daß das gute Beispiel den Menschen am Leben erhält. Und die Leute dort sind gutherzig.
    Die Leitung der Fabrik übernahm nun die Frau selbst, und sie machte das so gut, daß noch jetzt davon gesprochen wird. Zu trinken hatte er nicht aufgehört, aber sie fing an, ihn gerade in den betreffenden Tagen zu beaufsichtigen und ihn dann zu kurieren. Seine Art zu sprechen wurde ruhig und gemessen, und sogar seine Stimme veränderte sich. Er wurde außerordentlich mitleidig, sogar gegen die Tiere: wenn er vom Fenster aus sah, wie ein Bauer sein Pferdunbarmherzig mit der Peitsche gegen den Kopf schlug, so schickte er sogleich hin und kaufte ihm das Pferd für das Doppelte des Wertes ab. Auch hatte er die Gabe der Tränen erhalten: er brach immer in Tränen aus, wenn jemand mit ihm von etwas Rührendem zu reden anfing. Als aber für die Frau die Zeit gekommen war, da erhörte Gott endlich die Gebete der beiden und schenkte ihnen einen Sohn, und Maxim Iwanowitsch wurde zum erstenmal seit jenem Ereignis wieder heiter; er verteilte viele Almosen, erließ viele Schulden und lud die ganze Stadt zur Taufe ein. Er hatte die ganze Stadt eingeladen; aber als er am andern Tag aus seinem Zimmer kam, war er finster wie die Nacht. Die Frau sah, daß mit ihm etwas vorgegangen war, und brachte ihm den Neugeborenen: »Der Knabe«, sagte sie, »hat uns verziehen; unsere Tränen und unsere Gebete haben ihn gerührt.« Es muß aber gesagt werden, daß sie darüber während des ganzen Jahres niemals auch nur ein Wort miteinander gesprochen hatten; sie hatten beide diesen Gedanken nur in ihrem Herzen bewahrt. Und Maxim Iwanowitsch sah sie an mit einem Gesicht finster wie die Nacht und sagte: »Freue dich nicht zu früh; er ist das ganze Jahr über nicht gekommen, aber in dieser Nacht ist er mir wieder erschienen.« – »Da drang bei diesen schrecklichen Worten zum ersten Male die Angst auch in mein Herz ein«, äußerte sie später.
    Und nicht umsonst hatte Maxim Iwanowitsch von dem Knaben geträumt. Kaum hatte er das ausgesprochen, als beinahe sozusagen in demselben Augenblick etwas mit dem Neugeborenen vorging: er erkrankte plötzlich. Und das Kind war acht Tage lang krank, und sie beteten unermüdlich und riefen Doktoren herbei und ließen den allerersten Doktor aus Moskau mit der Eisenbahn kommen. Der Doktor kam und wurde sehr ärgerlich: »Ich bin der allererste Doktor«, sagte er, »ganz Moskau wartet auf mich.« Er verschrieb dem Kinde Tropfen und reiste eilig wieder ab. Achthundert Rubel nahm er mit. Aber das Kindchen starb am Abend.
    Und was geschah danach? Maxim Iwanowitsch überschrieb sein ganzes Besitztum seiner lieben Frau, übergab ihr alle seine Kapitalien und Dokumente und erledigte allesregelrecht und in gesetzlicher Ordnung; dann aber trat er vor sie hin und verbeugte sich vor ihr bis zur Erde:

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