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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Ehemann auch ohne alle Beweise ganz ebenso vorgehen und ganz dieselben Schritte unternehmen würde, wie wenn er die zwingendsten mathematischen Beweise erhalten hätte. Sie verließen sich dabei auf ihre Kenntnis des Charakters dieses Mannes und auf ihre Kenntnis seiner Familienverhältnisse. Die Hauptsache war, daß zu dieser Bande auch ein junger Mensch aus den besten Kreisen gehörte, dem es gelungen war, vorher die erforderlichen Nachrichten zu beschaffen. Von dem Liebhaber erpreßten sie eine sehr beträchtliche Summe, und zwar ohne jede Gefahr für sich, weil dem Opfer selbst an der Geheimhaltung der Sache sehr viel gelegen war.
    Lambert hatte bei diesen Streichen zwar mitgeholfen, hatte jedoch nicht als ordentliches Mitglied zu jener Moskauer Bande gehört; nachdem er aber erst einmal auf den Geschmack gekommen war, hatte er so nach und nach versuchsweise angefangen, auf eigene Faust zu operieren. Ich will gleich im voraus sagen: er war zu dieser Tätigkeit nicht sonderlich befähigt. Er war durchaus nicht dumm, auch ein spekulativer Kopf, aber zu hitzig und überdies von beschränktem Gesichtskreis oder, richtiger gesagt, von ziemlicher Naivität, das heißt, er kannte weder die Menschen noch die gesellschaftlichen Umstände. Er hatte zum Beispiel, wie es schien, überhaupt keinen rechten Begriff von der Bedeutung jenes Moskauer Chefs und dachte es sich sehr leicht, solche Unternehmungen einzuleiten und zu organisieren. Und ferner hielt er fast alle Menschen für ebensolche Schufte, wie er selbst einer war. Oder wenn er zum Beispiel einmal sich die Vorstellung zurechtgelegt hatte, der und der fürchte sich aus dem und dem Grund vor etwas oder müsse sich davor fürchten, dann zweifelte er auch nicht mehr daran, daß der Betreffende sich tatsächlich fürchtete, sondern betrachtete das als ein Axiom. Ich verstehedas nicht recht auszudrücken; in der Folge werde ich es durch die Erzählung der Ereignisse deutlicher machen, aber meiner Ansicht nach war er nur mangelhaft gebildet, und an manche guten, edlen Empfindungen glaubte er nicht, oder, richtiger gesagt, er hatte von ihnen überhaupt keine Vorstellung.
    Nach Petersburg war er gekommen, weil er diese Stadt schon seit langer Zeit ins Auge gefaßt hatte, in der Meinung, hier ein weiteres Feld für seine Tätigkeit zu finden als in Moskau, und dann auch, weil er in Moskau irgendwo und irgendwie in Ungelegenheiten geraten war und ihm jemand mit sehr schlechten Absichten nachspürte. Nach seiner Ankunft in Petersburg trat er sogleich wieder in Beziehung mit einem seiner früheren Kumpane, aber er fand nur ein mageres Arbeitsfeld und kümmerliche Affären. Sein Bekanntenkreis vergrößerte sich dann, aber es kam doch nichts Ordentliches zustande. »Es ist hier ein jämmerliches Volk, lauter dumme Jungen«, hat er später selbst einmal zu mir gesagt. Aber siehe da, eines schönen Morgens, beim Tagesgrauen, fand er mich auf einmal halberfroren an einer Hofmauer und kam damit direkt auf die Spur einer nach seiner Meinung »sehr fetten Sache«.
    Die ganze Sache kam durch mein Geschwätz heraus, als ich damals in seiner Wohnung auftauchte. Oh, ich befand mich damals in einer Art von Fieberdelirium! Aber aus meinen Worten ging doch soviel klar hervor, daß von all den Kränkungen, die mir jener verhängnisvolle Tag gebracht hatte, keine mir so zu Herzen gegangen war und so in meinem Gedächtnis haftete wie die mir von Bjoring und ihr angetane: sonst wäre das doch nicht das einzige gewesen, von dem ich bei Lambert phantasierte; ich hätte zum Beispiel auch von Serschtschikow phantasiert; indessen kam nur das erste zutage, wie ich in der Folge von Lambert selbst erfuhr. Und überdies war ich ganz entzückt und sah in Lambert und Alfonsina an jenem schrecklichen Morgen gewissermaßen meine Befreier und Retter. Wenn ich dann später während meiner Genesung, noch im Bett liegend, darüber nachdachte, was wohl Lambert aus meinem Geschwätz entnommen haben mochte und bis zu welchem Grad ich mich ihm gegenüber wohl verplappert hatte, dakam mir kein einziges Mal auch nur der Verdacht, daß er damals so viel erfahren haben könnte! O gewiß, nach meinen Gewissensbissen zu urteilen, ahnte ich schon damals, daß ich wahrscheinlich viel Überflüssiges geredet hatte, aber ich wiederhole: ich konnte in keiner Weise annehmen, daß ich darin so weit gegangen war! Ich gründete meine Hoffnung auch auf die Erwägung, daß ich damals bei ihm nicht einmal imstande gewesen war, die

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