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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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schüchtern.
    »Ja, ich wollte sie heiraten; sie starb an der Schwindsucht; es war ihre Stieftochter. Ich wußte, daß dir alle diese ... alle diese Klatschereien bekannt sind. Übrigens hättest du darüber auch nichts anderes erfahren können als Klatschereien. Gib das Bild wieder her, mein Freund, es war eine arme Irrsinnige, weiter nichts.«
    »War sie ganz und gar eine Irrsinnige?«
    »Oder eine Idiotin; ich glaube übrigens, daß sie irrsinnig war. Sie hatte ein Kind vom Fürsten Sergej Petrowitsch (infolge ihres Irrsinns, nicht infolge von Liebe; das ist eine der gemeinsten Handlungen des Fürsten Sergej Petrowitsch); das Kind ist jetzt hier, in jenem Zimmer, und ich wollte es dir schon längst einmal zeigen. Fürst Sergej Petrowitsch darf nicht hierherkommen und das Kind sehen; das habe ich mit ihm abgemacht, als wir noch im Ausland waren. Ich habe es mit Erlaubnis deiner Mama zu mir genommen. Mit Erlaubnis deiner Mama wollte ich damals auch diese ... Unglückliche heiraten ...«
    »Ist denn eine solche Erlaubnis möglich?« rief ich in starker Erregung.
    »O ja! sie hatte es mir erlaubt: Eifersucht gibt es nur gegenüber anderen Frauen, und dies war keine Frau.«
    »Und wenn sie auch in den Augen aller anderen keine Frau war, in Mamas Augen mußte sie es sein! Ich werde es in meinem Leben nicht glauben, daß Mama nicht eifersüchtig gewesen sein sollte!« rief ich.
    »Du hast recht. Ich merkte es, als alles bereits abgemacht war, das heißt, als sie ihre Erlaubnis gegeben hatte. Aber laß dieses Thema! Die Sache kam nicht zustande, weil Lidija starb, und sie wäre vielleicht auch nicht zustande gekommen, wenn sie am Leben geblieben wäre, aber Mama lasse ich auch jetzt nicht zu dem Kind. Das Ganze ist nur eine Episode. Mein Lieber, ich habe dich hier schon lange erwartet. Ich habe es mir schon lange in Gedanken ausgemalt, wie wir hier zusammenkommen würden; weißt du, seit wie lange schon? Schon seit zwei Jahren.«
    Er sah mich offen und aufrichtig mit unverhüllter Herzlichkeit an. Ich ergriff seine Hand.
    »Warum haben Sie denn gezögert und mich nicht schon längst hergerufen? Wenn Sie wüßten, was geschehen ist ... und was nicht geschehen wäre, wenn Sie mich früher hergerufen hätten! ...«
    In diesem Augenblick wurde der Samowar gebracht, und Darja Onissimowna brachte das kleine Kind herein, welches schlief.
    »Sieh es dir an«, sagte Wersilow, »ich habe es lieb und habe es jetzt absichtlich hereinbringen lassen, damit dues auch ansehen möchtest. Na, nun tragen Sie es nur wieder hinaus, Darja Onissimowna! Setz dich zum Samowar hin! Ich werde mir vorstellen, wir beide hätten von jeher so miteinander gelebt und seien jeden Abend zusammengekommen, ohne uns jemals zu trennen. Laß mich dich ansehen: setz dich so hin, so, damit ich dein Gesicht sehen kann! Wie ich es liebe, dein Gesicht! Wie ich mir dein Gesicht immer vorgestellt habe, schon als ich dich aus Moskau erwartete! Du fragst, warum ich dich nicht schon längst hergerufen habe? Warte einmal, das wirst du jetzt vielleicht schon verstehen können.«
    »Aber hat denn wirklich nur der Tod dieses alten Mannes Ihnen jetzt die Zunge gelöst? Das ist seltsam ...«
    Aber wenn ich auch in dieser Weise redete, so sah ich ihn doch voller Liebe an. Wir sprachen miteinander wie zwei Freunde, im höchsten, vollsten Sinne des Wortes. Er hatte mich hierhergeführt, um mir etwas zu erklären, mir etwas zu erzählen, sich wegen etwas zu rechtfertigen; aber schon ehe er davon zu sprechen begonnen hatte, war alles aufgeklärt und gerechtfertigt. Was ich jetzt auch noch von ihm zu hören bekommen hätte, das Ergebnis stand schon fest, und wir waren uns beide, dessen mit einem Gefühl der Glückseligkeit bewußt und blickten einander freudig an.
    »Nicht gerade der Tod dieses alten Mannes«, antwortete er, »nicht nur sein Tod; es ist da noch etwas anderes, was jetzt damit zusammengefallen ist ... Gott wolle diesen Augenblick und unser Leben in Zukunft und auf lange Zeit segnen! Mein Lieber, laß uns miteinander reden! Ich komme immer in Verwirrung und schweife ab; ich will von einem bestimmten Gegenstand reden und gerate in tausend nebensächliche Einzelheiten hinein. So geht es einem immer, wenn das Herz voll ist ... Aber laß uns miteinander reden; der richtige Zeitpunkt dafür ist da, und ich bin schon längst in dich verliebt, mein Junge ...«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete mich noch einmal.
    »Wie seltsam das alles anzuhören ist,

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