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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Machination kam da zutage! Ich will hier haltmachen und sie im voraus aufklären, da dem Leser sonst das weitere Verständnis nicht möglich sein würde.
    Die Sache war die, daß ich schon bei meinem ersten Zusammensein mit Lambert, damals, als ich in seiner Wohnung auftaute, ihm dummerweise hingestammelt hatte, daß das Schriftstück in meiner Tasche eingenäht sei. Damals war ich bei ihm für eine Weile in der Sofaecke eingeschlafen, und Lambert hatte unverzüglich meine Tasche befühlt und sich überzeugt, daß das Papier tatsächlich darin eingenäht war. Später hatte er mehrere Male festgestellt, daß das Papier noch da war: so zum Beispiel erinnere ich mich, daß er während unseres Diners bei den Tataren mich eigens mehrere Male um die Taille faßte. Als er endlich erkannt hatte, welche Wichtigkeit dieses Papier besaß, da hatte er einen Plan entworfen, den ich ihm überhaupt nicht zugetraut hätte. Ich Dummkopf hatte mir die ganze Zeit über vorgestellt, daß er mich einzig deswegen so hartnäckig zu sich einlud, um mich zu überreden, mit ihm gemeinsame Sache zu machen, gemeinschaftlich mit ihm zu operieren. Aber o weh! Er lud mich zu einem ganz anderen Zweck zu sich! Er lud mich ein, um mich sinnlos betrunken zu machen und, wenn ich dann besinnungslos daläge und schnarchte, meine Tasche aufzutrennen und sich des Schriftstücks zu bemächtigen. Genauso verfuhren denn auch er und Alfonsinka in jener Nacht. Alfonsinka besorgte das Auftrennen der Tasche. Nachdem sie den Brief, ihren Brief , mein Moskauer Schriftstück, herausgenommen hatten, nahmen sie einen leeren Bogen Briefpapier von gleicher Größe, steckten ihn in die aufgetrennte Tasche und nähten sie wieder zu, als wäre nichts geschehen, so daß ich nichts davon merken konnte. Wieder war es Alfonsinka, die das Zunähen besorgte. Ich aber, ich dachte immer noch, fast bis zum letzten Augenblick, noch volle anderthalb Tage lang, ich sei im Besitz des Geheimnisses und hätteKaterina Nikolajewnas Schicksal immer noch in meinen Händen.
    Ein letztes Wort: dieser Diebstahl des Schriftstücks war die Ursache alles dessen, was nun folgte, all dieser traurigen Ereignisse!

II
     
    Es beginnen nun die letzten vierundzwanzig Stunden meiner Aufzeichnungen, und ich bin am Ende!
    Es war, glaube ich, etwa halb elf, als ich in großer Aufregung und, soviel ich mich erinnere, in einer sonderbaren Zerstreutheit, aber mit einem endgültigen Entschluß im Herzen, mich zu meiner Wohnung hingeschleppt hatte. Ich hatte mich nicht beeilt; ich wußte schon, wie ich handeln würde. Aber kaum hatte ich unsern Flur betreten, als ich auch sofort merkte, daß ein neues Unglück hereingebrochen und eine außerordentliche Komplikation der Sache eingetreten war: der alte Fürst, den man soeben aus Zarskoje Selo herübergebracht hatte, befand sich in unserer Wohnung, und bei ihm war Anna Andrejewna!
    Man hatte ihn nicht in meinem Zimmer einquartiert, sondern in den beiden daneben gelegenen Zimmern der Wirtsleute. Schon tags zuvor waren, wie sich herausstellte, in diesen Zimmern einige Veränderungen und Verschönerungen vorgenommen worden, übrigens nur von ganz geringfügiger Art. Der Wirt war mit seiner Frau in das Kämmerchen des launenhaften, pockennarbigen Mieters übergesiedelt, dessen ich schon früher Erwähnung getan habe; der pockennarbige Mieter war für diese Zeit ausquartiert worden – wohin, weiß ich nicht.
    Der Wirt kam mir entgegen und schlüpfte sogleich mit in mein Zimmer. Er machte keine so energische Miene wie tags zuvor, sondern befand sich in einem Zustand ungewöhnlicher Aufregung, sozusagen auf der Höhe der Situation. Ich sagte nichts zu ihm, sondern trat in eine Ecke, griff mit beiden Händen nach meinem Kopf und blieb so etwa eine Minute lang stehen. Er mochte anfangs denken, ich »stellte mich nur an«; schließlich aber hielt er es nicht mehr aus und wurde ängstlich.
    »Fehlt Ihnen etwas?« murmelte er. »Ich habe auf Siegewartet, um zu fragen«, fügte er hinzu, als er sah, daß ich nicht antwortete, »ob Sie nicht befehlen, daß wir diese Tür hier öffnen, damit Sie eine direkte Verbindung mit den fürstlichen Gemächern haben ... und nicht erst über den Flur zu gehen brauchen.« Er zeigte auf eine bisher stets verschlossen gehaltene Zwischentür, die nach den Zimmern der Wirtsleute, also nach dem jetzigen Logis des Fürsten, führte.
    »Hören Sie, Pjotr Ippolitowitsch«, wandte ich mich mit strenger Miene an ihn, »ich bitte Sie ganz ergebenst,

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