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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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an der vornehmenGesellschaft als auch an ihr, mag sie ihre Strafe erhalten! Lambert, sie wird dir einen Wechsel geben ... Mir liegt nichts am Geld, ich werde auf das Geld spucken, aber du wirst dich danach bücken und es mitsamt meinem Speichel in die Tasche stecken. Aber dafür werde ich sie vernichten!«
    »Gewiß, gewiß!« stimmte mir Lambert immer bei. »Da hast du recht ...« Er wechselte mit Alfonsina fortwährend Blicke.
    »Lambert! Sie hegt eine große Verehrung für Wersilow; ich habe mich soeben davon überzeugt«, stammelte ich. »Das ist gut, daß du alles heimlich mit angesehen hast; ich hätte nie gedacht, daß du ein solcher Spion bist und daß du soviel Verstand besitzt!« Er sagte das, um mir zu schmeicheln.
    »Du redest Unsinn, Franzose, ich bin kein Spion, aber viel Verstand besitze ich! Aber weißt du, Lambert, sie liebt ihn ja!« fuhr ich in dem heißen Verlangen, mich auszusprechen, fort. »Aber sie heiratet ihn nicht, weil Bjoring ein Gardeoffizier und Wersilow nur ein hochherziger Mensch und ein Freund der Menschheit ist, nach der Meinung dieser Leute eine komische Person und weiter nichts! Oh, sie versteht diese Leidenschaft und hat ihre Freude daran und kokettiert mit ihm und lockt ihn an, aber heiraten tut sie ihn nicht! Sie ist ein Weib, sie ist eine Schlange! Jedes Weib ist eine Schlange, und jede Schlange ist ein Weib! Ihn müssen wir kurieren; ihm müssen wir die Binde von den Augen reißen: er soll sehen, was sie für eine ist, dann wird er kuriert sein. Ich werde ihn zu dir bringen, Lambert!«
    »Das ist das Richtige!« sagte Lambert, der mir in allem beistimmte und mir fortwährend einschenkte.
    Er vermied es ängstlich, mir zu widersprechen und mich dadurch aufzubringen, aus Furcht, ich könnte dann aufhören zu trinken. Sein Vorgehen war so plump und augenfällig, daß ich auch damals nicht umhinkonnte, es zu bemerken. Aber ich hätte es auch selbst um keinen Preis fertiggebracht wegzugehen; ich trank und trank und redete und redete und verspürte das größte Verlangen, mich vollständig auszusprechen. Als Lambert hinausgegangen war, umeine zweite Flasche zu holen, spielte Alfonsina auf der Gitarre eine spanische Melodie, und ich fing beinahe an zu weinen.
    »Lambert, weißt du denn auch alles?« rief ich mit tiefer Empfindung. »Diesen Mann müssen wir unbedingt retten, weil er ringsum ... von Zauberei umgeben ist. Wenn sie ihn heiratete, so würde er sie am Morgen nach der ersten Nacht, mit Fußtritten wegjagen ... denn so etwas kommt vor. So eine gewaltsame, wilde Liebe wirkt wie ein Anfall, wie eine Mordschlinge, wie eine Krankheit, und kaum hat sie ihre Befriedigung erlangt, so fällt einem auch sogleich die Binde von den Augen, und es stellt sich das entgegengesetzte Gefühl ein: Abneigung und Haß und der Wunsch zu zertreten, zu vernichten. Kennst du die Geschichte von Abisag, Lambert? Hast du sie gelesen?«
    »Nein, ich erinnere mich nicht; ist es ein Roman?« murmelte Lambert.
    »Oh, du weißt aber auch gar nichts, Lambert! Du bist furchtbar, furchtbar ungebildet ... aber ich schere mich nicht darum. Ganz egal. Oh, er liebt Mama; er hat ihr Bild geküßt; er wird jene am andern Morgen wegjagen und von selbst wieder zu Mama kommen; aber dann wird es zu spät sein, und darum müssen wir ihn jetzt retten ...«
    Zuletzt fing ich an bitterlich zu weinen, redete aber immer weiter und trank furchtbar viel. Charakteristisch war, daß Lambert den ganzen Abend auch nicht ein einziges Mal nach dem »Schriftstück« fragte, das heißt wo es sich eigentlich befinde, und mich nicht ersuchte, es zu zeigen und auf den Tisch zu legen. Man sollte meinen, nichts wäre natürlicher gewesen, als danach zu fragen, da wir doch unsere Aktion verabredeten. Noch ein anderes Charakteristikum: wir sprachen nur davon, daß wir »das« tun müßten und daß wir es unbedingt tun würden, aber davon, wo und wie und wann es geschehen solle, davon sprachen wir ebenfalls kein Sterbenswort! Er pflichtete mir immer nur bei und wechselte Blicke mit Alfonsina – weiter nichts! Allerdings konnte ich damals keine rechten Überlegungen anstellen; aber ich habe das doch im Gedächtnis behalten.
    Die Sache endete damit, daß ich bei ihm auf dem Sofa einschlief, ohne mich ausgezogen zu haben! Ich schlief sehrlange und wachte erst sehr spät wieder auf. Ich erinnere mich, daß ich nach dem Erwachen noch eine Zeitlang wie betäubt auf dem Sofa liegenblieb, meine Gedanken zu sammeln und mich zu erinnern suchte und so

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