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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Verständlichkeit meiner weiteren Darlegungen. Denn nicht nur für den Leser, sondern auch für mich selbst,den Verfasser, ist es eine schwere Aufgabe, aus den von mir getanen Schritten klug zu werden, wenn nicht vorher erklärt worden ist, was mich zu ihnen geführt und gedrängt hat. Durch diese »Redefigur des Verschweigens« bin ich infolge meiner Ungeschicklichkeit wieder in jene »Finessen« der Romanschriftsteller hineingeraten, die ich oben selbst verspottet habe. Jetzt, wo ich in die Tür meines Petersburger Romans mit all meinen darin enthaltenen schmählichen Erlebnissen eintrete, finde ich eine solche Vorbemerkung unumgänglich notwendig. Aber nicht jene Finessen haben mich dazu verleitet, bisher über manche Punkte Stillschweigen zu bewahren, sondern das Wesen der Sache selbst, das heißt die Schwierigkeit, sie darzustellen; sogar jetzt, wo schon alles Vergangene vergangen ist; fühle ich die fast unüberwindliche Schwierigkeit einer Darlegung dieser »Idee«. Überdies muß ich sie ohne Zweifel in ihrer damaligen Form darstellen, das heißt so, wie sie sich in meinem Kopf gestaltet hatte und mir damals vor dem geistigen Auge stand, nicht so, wie sie jetzt aussieht, – und das ist wieder eine neue Schwierigkeit. Manche Dinge auseinanderzusetzen, ist beinahe unmöglich. Gerade diejenigen Ideen, die am allereinfachsten und am allerklarsten sind, gerade die sind besonders schwer zu begreifen. Hätte Kolumbus vor der Entdeckung Amerikas es unternommen, anderen seine Idee darzulegen, so bin ich überzeugt, daß sie ihn sehr, sehr lange nicht verstanden hätten. Und sie haben ihn auch wirklich nicht verstanden. Wenn ich das sage, beabsichtige ich ganz und gar nicht, mich mit Kolumbus auf eine Stufe zu stellen, und wenn jemand das aus meinen Worten folgern sollte, dann mag er sich schämen; weiter sage ich nichts.

Fünftes Kapitel
     
I
     
    Meine Idee ist – ein Rothschild zu werden. Ich bitte den Leser, ruhig und ernst zu bleiben.
    Ich wiederhole: meine Idee ist, ein Rothschild zu werden, ebenso reich zu werden wie Rothschild, nicht bloß einfachreich, sondern geradeso reich wie Rothschild. Weshalb und warum ich das will und welche Zwecke ich damit verfolge, davon soll später die Rede sein. Zunächst will ich nur beweisen, daß die Erreichbarkeit meines Zieles mit mathematischer Sicherheit feststeht.
    Die Sache ist sehr einfach; das ganze Geheimnis besteht in zwei Worten: Energie und Ausdauer .
    »Das haben wir schon oft gehört, das ist nichts Neues«, wird man mir erwidern, »jeder Hausvater in Deutschland prägt das fortwährend seinen Kindern ein, aber doch ist dein Rothschild« (das heißt der verstorbene Pariser James Rothschild, von dem ich rede) »immer nur eine vereinzelte Erscheinung geblieben, Hausväter aber gibt es Millionen.«
    Darauf würde ich antworten:
    »Ihr behauptet, das schon oft gehört zu haben, aber dabei habt ihr gar nichts gehört. In einem Punkt habt ihr allerdings recht: wenn ich gesagt habe, diese Sache sei ›sehr einfach‹, so habe ich vergessen hinzuzufügen, daß sie zugleich sehr schwer ist. Alle Religionen und Sittenlehren der Welt laufen auf die eine Vorschrift hinaus: ›Man muß die Tugend lieben und das Laster meiden.‹ Was könnte, scheint es, einfacher sein? Nun wohl, so tut doch mal etwas Tugendhaftes und meidet auch nur eines eurer Laster, versucht es doch mal – nun? Ebenso ist es auch hiermit.«
    Das ist der Grund, weshalb jene zahllosen Hausväter im Laufe zahlloser Jahrhunderte diese wunderbaren beiden Worte, in denen das ganze Geheimnis steckt, immerzu wiederholen können und Rothschild doch nur eine vereinzelte Erscheinung bleibt. Nämlich: es ist doch nicht dasselbe, und was die Hausväter da immerzu wiederholen, ist keineswegs der richtige Gedanke.
    Von Energie und Ausdauer haben auch sie ohne Zweifel etwas gehört; aber zur Erreichung meines Zieles ist etwas anderes erforderlich als diese hausväterische Energie und diese hausväterische Ausdauer.
    Nehmen wir auch nur den einen Umstand, daß der Betreffende Hausvater ist – ich rede nicht allein von den deutschen Hausvätern –, daß er eine Familie hat, wie alle andern Menschen lebt, Ausgaben hat wie alle andern Menschen, Pflichten wie alle andern Menschen – da kann einerkein Rothschild werden; da kommt er über die Mittelstufe nicht hinaus. Mir für meine Person ist es vollständig klar, daß ich, wenn ich ein Rothschild werde oder es auch nur zu werden wünsche, aber nicht auf die

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