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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Hauptsache aber war seine achtungsvolle Gesinnung, diese bescheidene, achtungsvolle Gesinnung, die zur Gleichheit im höheren Sinne unumgänglich notwendig ist, ja ohne die man meiner Ansicht nach auch keinen Vorrang vor andern erlangen kann. Gerade durch das Fehlen auch nur des geringsten Eigendünkels wird die Vornehmheit im höheren Sinne erreicht, und man sieht einen Menschen vor sich, der sich, ohne zu zweifeln, seines eigenen Wertes bewußt ist, welche Stellung auch immer das Schicksal ihm angewiesen hat. Diese Fähigkeit, gerade in seiner eigenen Lage sich seines Wertes bewußt zu sein, ist auf der Welt außerordentlich selten, wenigstens ebenso selten wie die wahre eigene Würde ... Das wirst du selber erkennen, wenn du länger lebst. Aber am meisten überraschte mich, allerdings erst später, nicht gleich zu Anfang«, fügte Wersilow hinzu, »der Umstand, daß dieser Makar außerordentlich wohlgestaltet und, ich versichere dir, außerordentlich hübsch war. Freilich war er schon alt, aber »Gebräunt, von hohem Wuchs, gerade«, schlicht und würdevoll; ich wunderte mich sogar über meine arme Sofja, daß sie mich damals ihm hatte vorziehen können; er war fünfzig Jahre alt, aber immer noch frisch und kräftig, und ich war gegen ihn nur ein windiges Bürschchen. Übrigens war er, wie ich mich erinnere, auch damals schon auffällig grau, muß sie also auch mit demselben grauen Haar geheiratet haben ... Vielleicht hat das dabei mitgewirkt.«
    Dieser Wersilow hatte eine sehr häßliche, dem höheren Ton entlehnte Manier an sich: er äußerte manchmal (wenn es nicht anders ging) ein paar recht verständige, hübsche Gedanken, schloß dann aber plötzlich absichtlich mit einer Dummheit von der Art dieser Vermutung über die Wirkung, welche Makar Iwanowitschs graues Haar auf meine Mutter ausgeübt habe. Er tat das absichtlich und wahrscheinlich, ohne zu wissen warum, aus einer recht dummengesellschaftlichen Gewohnheit. Wenn man ihm zuhörte, konnte man glauben, er spräche in vollem Ernst, und dabei spottete er innerlich nur oder machte sich lustig.

III
     
    Ich begreife nicht, warum mich damals auf einmal ein so schrecklicher Ingrimm überkam. Überhaupt erinnere ich mich mit großem Mißbehagen an die Heftigkeit, zu der ich mich bei diesem Zusammensein mehrmals hinreißen ließ; ich stand plötzlich vom Stuhl auf.
    »Wissen Sie was«, sagte ich, »Sie sagten, Sie seien hauptsächlich hergekommen, damit meine Mutter denken möchte, wir hätten uns miteinander ausgesöhnt. Es ist nun genug Zeit vergangen, so daß sie das denken kann; ist es Ihnen also nicht gefällig, mich nun allein zu lassen?«
    Er wurde ein wenig rot und erhob sich von seinem Platz.
    »Mein Lieber, du bist gegen mich sehr unhöflich. Also auf Wiedersehen; mit Gewalt kann ich dich nicht liebenswürdig machen. Ich möchte mir nur eine Frage erlauben: willst du wirklich die Beziehungen zum Fürsten abbrechen?«
    »Aha! Das wußte ich doch, daß Sie Ihre besondere Absicht hatten ...«
    »Das heißt, du vermutest, ich sei hergekommen, um dich zu überreden, beim Fürsten zu bleiben, weil ich selbst davon Vorteil hätte. Aber, mein Freund, dann denkst du wohl am Ende auch, ich hätte dich aus Moskau herkommen lassen, weil ich dabei irgendwelchen Vorteil für mich selbst im Auge gehabt hätte? Oh, wie mißtrauisch bist du! Ich wünsche dir ganz im Gegenteil alles Gute. Und gerade jetzt, wo sich meine Vermögensverhältnisse so gebessert haben, würde ich wünschen, daß du wenigstens manchmal mir und deiner Mutter erlauben möchtest, dir behilflich zu sein.«
    »Ich kann Sie nicht leiden, Wersilow.«
    »Auch noch »Wersilow«! Übrigens, ich bedaure es sehr, daß ich dir nicht habe diesen Namen verleihen können, denn im Grunde besteht darin meine ganze Schuld, wenn eine solche überhaupt vorhanden ist, nicht wahr? Aber noch einmal: ich konnte doch eine verheiratete Frau nicht heiraten, das mußt du doch selbst sagen.«
    »Das war wahrscheinlich der Grund, weshalb Sie eine Unverheiratete heiraten wollten.«
    Ein leichtes Zucken lief über sein Gesicht hin.
    »Du redest von Ems. Hör mal, Arkadij, du hast dir schon unten in Gegenwart deiner Mutter diesen selben Angriff erlaubt und dabei mit dem Finger auf mich gewiesen. So wisse denn, daß du gerade hierin arg vorbeigeschossen hast. Von der Geschichte mit der verstorbenen Lidija Achmakowa weißt du geradezu nichts. Du weißt auch nicht, inwiefern deine Mutter selbst bei dieser Geschichte beteiligt

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