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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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in der Garderobe vergessen hat. Seine Eltern waren nämlich schon in aller Frühe mit ihrem knallroten Kabrio vorausgefahren, weil man ja nie wissen konnte, wie es auf den Autobahnen aussah.
    Aber das allgemeine Umarmen und Auf-die-Schulter-Klopfen wirkte auch auf den Sohn des Chefredakteurs ansteckend. So ganz allmählich hatte er dasselbe Gefühl wie auch alle übrigen Glorreichen: daß sie nämlich ganz offensichtlich eine enorm gefährliche Expedition etwa in den Himalaya vor sich hätten und nicht damit rechnen durften, je wieder mit heiler Haut zurückzukommen.
    „Vor allem die kohlschwarzen Quallen mit ihren meterlangen Fangarmen sind nicht zum Totlachen“, warnte der Vater von Emil Langhans gerade, als der Lautsprecher die Reisenden bereits aufforderte, von der Bahnsteigkante zurückzutreten. „Und wenn euch im Watt die Flut überrascht, dann könnt ihr nur noch auf den nächstbesten Leuchtturm klettern.“
    Glücklicherweise schob sich jetzt der Hamburger D-Zug in den Bahnhof. Dabei quietschten seine Bremsen. Die Glorreichen Sieben flitzten los wie aufgescheuchte Hühner, um zunächst einmal im Gepäckwagen ihre Fahrräder aufzugeben.
    Inzwischen hatte Friseurmeister Treutlein als erster das reservierte Eisenbahnabteil entdeckt. Er brüllte: „Alles hierher!“ Und schwenkte dabei seinen Hut durch die Luft.
    Das war wie ein Zeichen zum Angriff. Die Eltern stürzten sich auf die Koffer und trabten los. Apotheker Pigge und Herr Hugendubel kletterten in den Zug und ließen sich das Gepäck vom Bahnsteig durch die Fenster reichen. Als die Glorreichen Sieben zurückkamen, hatten die Herren hochrote Köpfe und waren außer Atem. „Auf die Sekunde“, keuchten sie noch, und im gleichen Augenblick rief es auch schon aus dem Lautsprecher: „Bitte Türen schließen!“ Sie drängelten sich durch den schmalen Gang und konnten gerade noch abspringen, bevor sich der Zug wieder in Bewegung setzte. Sie stellten sich jetzt zu den übrigen Eltern, holten ihre Taschentücher heraus und fingen an zu winken.
    Die Glorreichen Sieben winkten zurück.
    Der Bahnsteig wurde immer kleiner, und gleich hinter dem Gaskessel verschwand er in der Kurve.
    „Eltern können ab und zu richtig rührend sein“, bemerkte Hans Pigge, als er zusammen mit Paul Nachtigall das Fenster wieder nach oben schob.
    Schon kurze Zeit später hingen die Glorreichen Sieben in den Sitzen ihres D-Zug-Abteils wie Generaldirektoren bei einer Vorstandssitzung. Es fehlte nur noch, daß sie dicke Zigarren rauchten.
    Als es durch den Spessart ging, holten sie ihre ersten Wurstbrote heraus, und in der Gegend von Hildesheim genehmigten sie sich bei einem Kellner, der einen kleinen Wagen mit allerlei Getränken vor sich herschob, Zitronenlimonade und Coca-Cola.
    Schon ab Hannover gab es überhaupt keine Berge mehr, und in der Lüneburger Heide wurde das Land schließlich so flach wie eine Tischtennisplatte.
    Im Hamburg mußten die Glorreichen Sieben umsteigen.
    Einen kurzen Augenblick lang bestaunten sie die riesengroße Bahnhofshalle, in der das ganze Bad Rittershuder Rathaus bequem Platz gehabt hätte. Aber dann mußten sie sich auf die Socken machen, um ihr Gepäck aus dem Abteil zu bekommen und ihre Fahrräder aus dem Gepäckwaggon zu holen. Anschließend schleppten sie alles über ein paar Rolltreppen zum Bahnsteig mit der Nummer elf, wo schon der Anschlußzug nach Westerland auf sie wartete.
    Hier wimmelte es von Menschen wie bei einem Sommerschlußverkauf . Die sieben Jungen waren froh, als sie ihre
    Fahrräder wieder abgeliefert hatten und endlich im Korridor auf ihren Koffern saßen. Der ganze Zug war hoffnungslos überfüllt, Kinder brüllten, Mütter versuchten sie zu beruhigen, und Väter versicherten immer wieder, das alles sei ja nicht zu fassen, und es wäre lediglich eine Frage der Zeit, bis sie explodieren würden.
    „So hab’ ich mir meine Ferien vorgestellt“, bemerkte Emil Langhans.
    „Es ist alles Gewöhnung“, erwiderte Paul und steckte seinen Kopf durch das geöffnete Fenster.
    In Niebüll standen Chefredakteur Kubatz und seine Frau auf dem Bahnsteig. Sie hatten gerade ihr knallrotes Kabrio auf den Autozug verladen, der hier angehängt wurde.
    Karlchen winkte mit seiner Mütze und rief: „Hallo, hier sind wir!“
    „Aber wie kommen wir zu euch rein?“ fragte der Chefredakteur, als er den Waggon mit den Glorreichen Sieben erreicht hatte.
    „Keine Bange“, lachte der Zugführer, der gerade vorbeikam. „Da haben wir schon ganz

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