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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Wellensittich.
    „Das sind die Glorreichen Sieben“, gab Herr Kubatz bekannt. Dabei machte er eine so theatralische Bewegung mit seinem rechten Arm, als zeigte er seiner Mutter von einer Bergspitze herunter den gesamten Schwarzwald oder das grandiose Panorama der bayerischen Alpen.
    „Ich bin sehr beeindruckt“, meinte Großmutter Kubatz und lächelte dabei. „Herzlich willkommen im Haus Seestern. Ich wünsche euch möglichst schöne Ferien.“ Dabei flatterte der Wellensittich von ihrem Arm auf ihre Schulter.
    Die Glorreichen Sieben waren inzwischen von dem Pferdewagen heruntergeklettert und standen nebeneinander — wie beim Antreten in der Turnstunde. Nur Karlchen Kubatz fiel seiner Großmutter um den Hals und sagte: „Wir danken dir alle für die Einladung.“ Anschließend stellte er ihr seine Freunde vor. Die zerbrechliche Dame in dem Kornblumenkleid ging von einem zum anderen, gab jedem die Hand, und die Jungen sagten dabei ihre Namen. Als letzter war Fritz Treutlein an der Reihe. Auch er sagte seinen Namen. Aber er machte dabei einen solchen Diener, als hätte er gerade nach der Rasur von Zigarrenhändler Bennelmann ein dickes Trinkgeld kassiert.
    „Womit wir den offiziellen Teil glücklich überstanden hätten“, bemerkte die Gastgeberin hinterher. „Aber daß ihr in Zukunft ,Frau Kubatz’ oder sogar ,Großmutter’ zu mir sagt, das könnte euch so passen. Bei jedem hier im Haus und auch im ganzen Dorf heiße ich schlicht und einfach Gustchen, und da mache ich auch bei euch keine Ausnahme.“
    Der Wellensittich flatterte jetzt von ihrer Schulter direkt ins Haar, aber das kümmerte sie überhaupt nicht. „Zudem gebe ich hiermit die sofortige Gründung der Familie ,Haus Seestern’ bekannt, und dazu gehört es dann auch, daß wir gegenseitig du zueinander sagen. Oder gibt es dagegen irgend etwas einzuwenden?“
    „Nicht daß ich wüßte“, antwortete Paul Nachtigall im Namen der Glorreichen Sieben.
    „Ausgezeichnet“, stellte die Großmutter fest, die ab sofort nur noch Gustchen heißen wollte. Und weil in diesem Moment gerade eine ziemlich dicke Frau mit einem vollen Wäschekorb über den Hof kam, sagte sie jetzt: „Das ist übrigens Fräulein Emma Zobelmann, die mir in der Küche hilft und für eure Wäsche sorgt. Aber damit hat es sich dann auch schon. Eure Betten macht ihr gefälligst allein und eure Zimmer ebenso. Wir sind hier nämlich kein Luxushotel.“
    „Alles wird sich finden“, sagte Fräulein Zobelmann und lächelte dabei. Sie hatte ein lustiges Gesicht mit Grübchen und großen Kinderaugen. „Ich höre übrigens auf den ungeheuer seltenen Vornamen Emma“, kicherte sie noch und wanderte dann mit ihrem Wäschekorb davon. Auch Großmutter Kubatz verfügte sich in ihrem Kornblumenkleid jetzt zum Haus zurück. Auf der Treppe drehte sie sich noch einmal um und gab von dort ihre vorläufig letzten Befehle wie von einem Feldherrnhügel herunter. Dieser Eindruck wurde natürlich unterstützt von der hellblauen Fahne, die an einem schneeweißen Mast im Wind flatterte und mit dem stolzen Namen des Hauses beschriftet war.
    „Am besten, ihr ladet jetzt zuerst einmal eure Koffer vom Wagen“, schlug Gustchen vor. „Anschließend bringt ihr eure Drahtesel in die Scheune, während Florian die Pferde ausspannt. Dann kann er euch die Zimmer zeigen, und ihr könnt auspacken. Was ihr anschließend macht, ist eure Sache. Übrigens, um sieben Uhr pünktlich gibt’s Abendessen.“
    Herr Kubatz war bisher dabeigestanden und hatte immer wieder vergnügt eine Rauchwolke aus seiner Pfeife gepafft.
    Jetzt gab er seiner Mutter einen Kuß auf ihr weißes Haar: „Du hast dich in all den Jahren um kein Jota verändert“, sagte er dabei.
    „Warum sollte ich auch?“ fragte Gustchen und verschwand damit endgültig im „Haus Seestern“.
    „Und jetzt noch ein Wort unter uns“, bemerkte Chefredakteur Kubatz zu den Glorreichen Sieben, die inzwischen bereits zu ihrem Gepäck auf dem Pferdewagen geklettert waren. „Damit ich mich gelegentlich von euch erholen kann, wohne ich mit meiner Frau da drüben.“ Er zeigte mit seiner Pfeife zu einem kleinen Bungalow auf der anderen Seite des Hofes. „Das ist die sogenannte Blockhütte, und ich wäre euch zu größtem Dank verbunden, wenn ihr mich dort nur stören würdet, falls überraschend der Weltuntergang vor der Tür steht oder etwas der ähnlichen Größenordnung. Ich habe mir nämlich vorgenommen, hier in aller Seelenruhe ein Buch zu schreiben, falls mir

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