Der Junge aus dem Meer
ersten Seite“, antwortete Redakteur Hildesheimer.
„Und die Bildunterschrift?“
„Ganz einfach nur: ,Ich weiß nicht, wer ich bin.’ Was Besseres ist mir nicht eingefallen“, meinte Redakteur Hildesheimer ein wenig unsicher.
„Ganz ausgezeichnet“, lobte Herr Kubatz. „Das ist sehr wirkungsvoll.“
„Freut mich, daß Sie zufrieden sind. Aber etwas interessiert mich noch“, wollte Redakteur Hildesheimer wissen. „Wieso waren Sie so schnell in Hamburg, und sind Sie noch dort?“
„Nein, schon wieder auf Sylt“, meinte der Chefredakteur. „Ich spreche vom Flughafen aus mit Ihnen.“
„Also bloß mal schnell so hin und her durch die Luft?“ lachte der Redakteur in Bad Rittershude. „Wir fangen an, der New York Times Konkurrenz zu machen.“
„Mit der Post hätte es bis heute abend nicht funktioniert“, erklärte der Chefredakteur.
Draußen kam in diesem Augenblick Herr Morgano in seinem Jackett mit den viel zu großen Karos durch die Flughafenhalle. Er hatte noch auf sein Gepäck warten müssen, und eine bunte Gesellschaft von etwa einem Dutzend Leuten war gekommen, um ihn abzuholen. Darunter zwei Chinesen, ein dicklicher Mann mit wässrigen Augen wie bei einem Karpfen und alle lachten und sprachen durcheinander als seien sie ganz besonders gut aufgelegt. Als Herr Morgano jetzt Herrn Kubatz entdeckte, kam er herüber, machte einfach die Tür auf und steckte seinen Kopf kurz in die Telefonzelle: „Also ich erwarte Sie mit Ihrer ganzen Fußballmannschaft“, sagte er lächelnd. „ Buon giorno , mein Lieber, Sie sind mir sehr sympathisch.“ Damit machte er die Tür wieder zu, ohne eine Antwort abzuwarten, und verfügte sich majestätisch zum Ausgang. Seine Begleitung wirkte dabei wie ein Hofstaat.
„Die Maschinen laufen schon?“ fragte Herr Kubatz jetzt ins Telefon.
„Es kann sich nur um Minuten handeln“, erwiderte Redakteur Hildesheimer.
„Schön“, sagte Chefredakteur Kubatz. „Dann passiert jetzt umgehend folgendes: Die ersten noch druckfeuchten Exemplare lassen Sie sofort in Briefumschläge verschwinden und schicken sie per Eilboten an alle großen Zeitungen von München bis Hamburg und von Hannover bis Düsseldorf. Jeweils persönlich an die Chefredakteure adressiert. Und natürlich auch an Herrn Splettstößer von der ZENTRALEN PRESSE-AGENTUR. Alle sollen morgen früh die neueste Ausgabe der Bad Rittershuder Nachrichten auf ihren Schreibtischen haben.“
„Ich bin ganz Ohr“, versicherte Redakteur Hildesheimer.
„Schreiben Sie nur dazu ,Zur freundlichen Kenntnisnahme’. Bei Herrn Splettstößer können Sie noch anfügen: ,Herzlichen Dank und beste Grüße!’ “ Chefredakteur Kubatz schmunzelte vergnügt. „Er wird Sie übrigens als einer der ersten anrufen und ganz schön auf der Palme sein. Aber es bleibt vorerst dabei: Euer Name ist Hase, und ihr habt keine Ahnung. Das Funkfoto ist unter Verschluß ?“
„Ich habe es nicht aus den Augen gelassen und es, nachdem es die Technik nicht mehr gebraucht hat, sofort in den Safe versenkt.“
„Noch etwas!“ meinte Herr Kubatz. „Vermutlich wollen andere Redaktionen unseren Artikel abdrucken. Machen Sie dann die Herren Kollegen von den großen Zeitungen darauf aufmerksam, daß sie das übliche Honorar an uns zu bezahlen haben und daß jedesmal die Bad Rittershuder Nachrichten als Quelle angegeben werden. Daß sie mit Nachrichten über diese Geschichte vorerst allein auf eine Provinzzeitung angewiesen sind, schmeckt ihnen bestimmt wie Essiggurke mit Mohrenkopf. Aber die lachen oft genug über uns, und Strafe muß auch mal sein. Im übrigen werde ich mir während der nächsten Tage den Strand an den Hut stecken und bleibe im Haus Seestern für Sie immer in der Nähe des Telefons. Guten Abend, Herr Hildesheimer.“
„Die Maschinen sind in diesem Augenblick angelaufen“, rief der Redakteur in Bad Rittershude noch. „Und damit bestimmt nichts schiefgeht, bringe ich die Eilbotenbriefe gleich nachher persönlich zur Hauptpost.“
„Fein“, bemerkte Herr Kubatz. „Dann ist ja alles in bester Butter.“ Anschließend rief er das Haus Seestern an. „Wo treibst du dich bloß herum?“ wollte die Großmutter wissen.
„Keine Sorge, ich bin nicht verlorengegangen. Gibt’s was Neues, und kann ich euch was mitbringen? Ich bin gerade in Westerland.“
„Unsere Geschäfte in Rantum sind auch nicht schlechter“, erwiderte die Großmutter. „Mach lieber, daß du nach Hause kommst, in einer halben Stunde gibt es
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