Der Junge aus dem Meer
quäkte eine Stimme aus dem Telefonhörer“, berichtete Fräulein Emma Zobelmann beleidigt. „Ich nahm auf und fragte, was denn passiert sei. Der Herr am anderen Ende hatte eine sehr angenehme Stimme und war ganz besonders freundlich. Er sei einer Ihrer Freunde, sagte er, und er vermutete, Sie hätten wohl vergessen, daß er noch am Telefon sei. Aber das sei bei einem so beschäftigten Mann zu verstehen und weiter kein Beinbruch. Er sei überhaupt nicht verärgert, meinte er, und ich sollte Ihnen das ausrichten. Er würde dann eben seinerseits zurückrufen. Deshalb bat er sehr artig um unsere Telefonnummer und auch um die genaue Adresse, damit er notfalls auch ein Telegramm schicken könnte...“
„Und Sie haben ihm natürlich Telefonnummer und Adresse gegeben?“ fragte Herr Kubatz ganz ruhig, obgleich er innerlich am explodieren war.
„Sollte ich etwa nicht?“ erwiderte Fräulein Emma Zobelmann arglos.
„Schon gut“, antwortete Herr Kubatz, und weil in diesem Moment das Telefon schon wieder klingelte, meinte er noch: „Es wäre nett, wenn Sie mich jetzt allein lassen würden.“
Natürlich war Chefredakteur Splettstößer wieder am Apparat. „Ich bin Ihnen keinesfalls böse, weil Sie mich so lange warten ließen. Übrigens, unser Fotograf ist schon zu Ihnen unterwegs. Ein gewisser Herr Bissegger. Die Dame, die mir Ihre Adresse und die Telefonnummer gab, scheint eine sehr sympathische Person zu sein. Ich möchte mich eigentlich bei ihr bedanken.“
„Bedanken Sie sich lieber bei zwei Pferden, die im falschen Augenblick allein Spazierengehen wollten“, erwiderte Herr Kubatz.
„Und Sie mußten die Biester wieder einfangen?“ Herr Splettstößer lachte aus vollem Halse.
„Unser Spiel steht eins zu eins“, bemerkte Herr Kubatz trocken. „Schön, jetzt wissen Sie ja Bescheid.“
„Aber ich bleibe bei meinem Vorschlag“, versicherte der Chefredakteur der ZENTRALEN PRESSE-AGENTUR. „Klemmen Sie sich sofort hinter Ihre Schreibmaschine, und tippen Sie los. Herr Bissegger soll Ihre Artikel mitbringen. Und Ihre Adresse ist bei mir so sicher wie in der Bank von England.“
„Spätestens morgen früh ist die Katze trotzdem aus dem Sack“, meinte Herr Kubatz.
„Sobald Ihre Artikel über unsere Fernschreiber ticken“, erwiderte Herr Splettstößer. „Und das passiert bestimmt noch heute abend .“
Bevor sich der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten in der Blockhütte an seinen Schreibtisch setzte, telefonierte er noch mit Kriminalkommissar Michelsen. Es wurde ein sehr kurzes Gespräch.
„Der Ballon ist geplatzt“, mußte Herr Kubatz zugeben.
„Im gleichen Augenblick wollte ich Sie anrufen und etwas Ähnliches sagen“, erwiderte Herr Michelsen. „Meine Vorgesetzte Dienststelle hat mich an den Apparat geholt und wollte genau Bescheid wissen. Da mußte ich Farbe bekennen.“
„Und wann reisen der Kriminalrat und seine Kommission an?“ fragte Herr Kubatz.
„Vorerst Glück gehabt“, meinte der Kommissar und lachte. „Ich soll den Fall allein bearbeiten, sie hätten ohnehin schon viel zuviel um die Ohren.“
„Gratuliere“, sagte Herr Kubatz und wiederholte wieder einmal: „Wir bleiben in Verbindung.“
„Ja, tun wir das“, erwiderte Herr Michelsen. „Noch einen schönen Tag.“
Dieser schöne Tag bestand für Herrn Kubatz vorläufig darin, daß er sich noch einmal in seine Hängematte legte, bis er genügend Einfälle gesammelt hatte. Dann setzte er sich hinter seine Schreibmaschine, ließ das Mittagessen sausen und tippte drauflos, bis Herr Bissegger von der ZENTRALEN PRESSE-AGENTUR im Hof aus einem Taxi kletterte. Er hatte bereits seine Fotoapparate vor der Brust baumeln, blickte zuerst auf seine Armbanduhr und dann erst zu Herrn Kubatz: „Ich habe genau eine halbe Stunde Zeit, oder mein Flugzeug ist weg. Also, wo steckt der Knabe?“
Die Glorreichen Sieben hielten gerade in den Dünen ihren Mittagsschlaf. Alexander lag neben Paul Nachtigall, und zwischen ihnen schnarchte der Rauhhaardackel namens Professor.
„Ein Jammer, daß du nicht auch in Bad Rittershude wohnst“, überlegte der Boß der Glorreichen Sieben.
„Vielleicht wohne ich dort“, grinste der schwarzhaarige Junge, „und du hast mich nur noch nicht gesehen.“
„So groß ist unser Städtchen nun auch wieder nicht“, mischte sich Karlchen Kubatz ein.
In diesem Augenblick tauchten drei Männer über der Düne auf. Sie alle hatten ihre Hosen hochgekrempelt, ihre Socken in die Schuhe gesteckt und
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