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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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hinter sich nicht zu, als er aus dem Hof radelte. Und das sollte schon ganz kurze Zeit später eine verflixte Wirkung haben. Aber erstens konnte das Florian in diesem Augenblick noch nicht ahnen, und zum zweiten hatte Herr Kubatz wieder einmal ermahnt: „Spute dich, mein Junge, und schau dir die Schaufenster erst an, wenn du die Zeitung abgeliefert hast.“ Für den übrigen Rest des Vormittags übernahm das Telefon die Hauptrolle.
    Zuerst meldete sich Herr Hildesheimer.
    „Bei uns ist der Teufel los, und die Telefonkabel glühen wie Zündschnüre“, meldete der Redakteur aufgeregt. „Genau zweiundvierzig Zeitungen haben schon Ihren Artikel übernommen, und natürlich wollen alle wissen, wo der Junge zu finden ist. Sie probieren alle Tricks und Maschen, um es rauszukriegen. Einer wollte das Mädchen von der Telefonzentrale zum Abendessen einladen, und ein anderer hat behauptet, er sei das Finanzamt und müßte unbedingt sofort mit Ihnen reden, weil er Ihnen anderenfalls eine Steuernachzahlung aufbrummen würde, die nicht von schlechten Eltern sei. Es geht zu wie in einem Irrenhaus.“ Redakteur Hildesheimer japste nach Luft. „Und natürlich hing die ZENTRALE PRESSE-AGENTUR gleich als erste an der Strippe. Seitdem hat dieser Herr Splettstößer schon wieder fünfmal angerufen. Auch er versucht es auf alle Touren. Mal ist er zuckersüß, mal brüllt er, und dann ist er auf einmal ganz ruhig und sagt nur: ,Ich warne Sie, so springt man mit mir nicht um.’ Vielleicht wäre es besser, wenn Sie sich persönlich bei ihm melden. Denn was er vorschlägt, ist gar nicht so dumm.“
    „Ich überlege es mir“, versicherte der Chefredakteur. „Jedenfalls sind die Bad Rittershuder Nachrichten zur Zeit Nummer eins?“
    „Das sei getrommelt und gepfiffen“, bestätigte Redakteur Hildesheimer und fügte hinzu: „Da schiebt man mir gerade zwei neue Bestellungen auf den Tisch. Ich glaube, jetzt gibt’s in ganz Deutschland keine Zeitung mehr, die Ihren Artikel nicht nachdruckt...“
    „Vorerst noch dichthalten“, rief Herr Kubatz vergnügt und legte auf. Und schon im selben Augenblick klingelte das Telefon zum zweitenmal .
    „Sie sind ja dauernd belegt“, meinte Kriminalrat Michelsen vorwurfsvoll. „Habe gerade Ihre Bad Rittershuder Nachrichten bekommen. Hübsches Osterei, das Sie mir da ins Nest gelegt haben. Übrigens, guten Morgen.“
    „Gleichfalls“, sagte Herr Kubatz. „Hat sich etwas Neues ergeben?“
    „Die Küstenwachen haben nichts entdeckt, und die Schiffe, die in der fraglichen Nacht hier vorbeigedampft sind, haben noch alle Passagiere an Bord“, berichtete der Kommissar. „Und wenn Sie bei mir zurückrufen, wundern Sie sich nicht, wenn Herr Lüders am Apparat ist. Da rufen nämlich schon laufend Zeitungen an, ob der Junge ohne Gedächtnis vielleicht hier auf Sylt gefunden worden sei. Mein Assistent antwortet dann immer sehr höflich, daß so etwas nur der Kommissar persönlich wissen könnte und der sei zur Zeit leider unterwegs, aber er würde ihn sofort fragen, wenn er zurückkommt.“ Herr Michelsen kicherte am anderen Ende der Leitung. „Bis jetzt bin ich noch nicht zurückgekommen.“
    „Wir bleiben in Verbindung, Herr Michelsen“, meinte der Chefredakteur abschließend.
    „Ja, wir bleiben in Verbindung“, erwiderte der Kommissar aus Westerland.
    „Jetzt mal genau überlegen“, sagte Herr Kubatz zu sich selbst. Er qualmte mit seiner Pfeife, legte sich kurz in seine Hängematte, machte die Augen zu und schaukelte ein wenig hin und her. Kurz darauf warf er wieder einmal die Beine in die Luft und sprang auf den Boden. „Ja, so wird ein Schuh draus“, meinte er wieder zu sich selbst. Er schlenderte über den leeren Hof, betrat das Haus Seestern und holte sich ein Glas Milch aus dem Kühlschrank. „So, jetzt bin ich bereit“, murmelte er und wählte die Nummer der ZENTRALEN PRESSE-AGENTUR in Hamburg.
    „Ein Glück, daß Sie anrufen“, knurrte Chefredakteur Splettstößer.
    „Ja, aber ein Glück für Sie“, bemerkte Herr Kubatz.
    „Sie haben mich regelrecht aufs Kreuz gelegt“, stellte Herr Splettstößer fest. „An der ganzen Geschichte mit dem Bürgermeistersohn und seinem Tennisturnier war kein wahres Wort. Und ich Esel bin in meiner Gutmütigkeit auf sie reingefallen. Ich bin stinksauer auf Sie.“
    „Das betrübt mich“, versicherte Herr Kubatz. „Aber es gibt gewisse Situationen...“
    „Zugegeben, ich bin auch nicht zimperlich, wenn’s um einen dicken Fisch geht“,

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