Der Junge aus dem Meer
Gedächtnis verloren hätte. „Immer auf der ersten Seite“, bemerkte Herr Kubatz wieder einmal zu sich selbst. „Und überall steht dabei, daß der Bericht den Bad Rittershuder Nachrichten entnommen sei.“ Herr Kubatz saß inzwischen in seinem offenen Kabrio in der Sonne und blätterte sich durch die Erzeugnisse der Konkurrenz.
„Sehr erfreulich“, stellte er schließlich fest. Er knipste sein Autoradio an und gondelte gemütlich über die Landstraße nach Rantum.
So langsam schlich Herr Kubatz mit seinem knallroten Flitzer nur ganz selten. Meistens nur dann, wenn er besonders gut gelaunt und mit sich selbst zufrieden war.
Ein Schneesturm und eine Wüste finden statt
„Wenn du schon die Eintrittskarten geschenkt bekommst“, stellte die Großmutter Kubatz fest, „kannst du wenigstens das Geld für zwei Taxis spendieren. Ich halte nichts davon, wenn die Jungen mitten in der Nacht per Fahrrad auf der Straße sind.“
„Du triffst wie immer den Nagel auf den Kopf“, erwiderte der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten und nahm heute wohl schon zum zweiundzwanzigstenmal einen Telefonhörer in die Hand.
Die Glorreichen Sieben waren geschlossen zum Küchendienst angetreten und hatten nach dem Abendessen gemeinsam beim Geschirrabwaschen geholfen.
„Das ging ja wie die Feuerwehr“, stellte Fräulein Zobelmann fest. „Besten Dank, meine Herren.“ Daraufhin verteilten sich alle zum Umziehen auf ihre Zimmer.
„Gleich muß die Abendschau dran sein“, murmelte Großmutter Kubatz. Sie schaltete den Fernseher an und setzte sich gegenüber in ihren Ohrensessel. Das übrige Programm konnte ihr gestohlen bleiben. Aber sie wollte jeden Abend wissen, was sich tagsüber in der Welt ereignet hatte. Wenn dann die Wetterkarte kam, war die Sache für sie erledigt, und sie schaltete wieder ab.
Als der Abendschausprecher gerade davon berichtete, daß wohl mit neuen Lohnerhöhungen bei der Post zu rechnen sei, versammelten sich die Glorreichen Sieben so nacheinander wieder im Erdgeschoß. Sie hatten sich Pullover und Anoraks angezogen, weil es an den Abenden draußen doch ziemlich frisch wurde.
Bei einer Meldung über neue Erdölvorkommen in Australien kam Fräulein Emma Zobelmann aus ihrem Zimmer zurück und wirkte in Hut und Mantel beinahe so, als ob sie sich verkleidet hätte. „Ich bin soweit“, meinte sie.
Gleichzeitig kam Florian durch die Hintertür. Er war wieder genauso angezogen wie damals, als er die Glorreichen Sieben mit dem Pferdewagen vom Bahnhof abgeholt hatte.
„Dann wären wir ja komplett“, stellte Herr Kubatz fest und half seiner Frau in eine dicke Strickweste.
„Und Professor Stoll?“ fragte die Großmutter aus ihrem Ohrensessel.
„Der hat noch einen Patienten in Wennigstedt und kommt von dort direkt in die Vorstellung“, erklärte Herr Kubatz. Draußen hörte man Motorengeräusche und eine Autohupe.
„Eure Taxis“, meinte die Großmutter. „Viel Vergnügen.“
„Willst du nicht doch mitkommen?“ fragte Karlchen Kubatz bekümmert.
„Ich hab’ gar nichts dagegen, wenn ich zwischendurch mal einen Abend allein bin“, meinte die Großmutter. „Aber das verstehst du noch nicht. Und jetzt laßt mich endlich in Ruhe meine Nachrichten hören.“
Über die Röhre flimmerten gerade Bilder von einem Autorennen irgendwo in Kalifornien.
„Dann also, guten Abend“, sagten Herr Kubatz und die anderen durcheinander und wollten schon zum Hof hinaus. Aber da hörten sie die Stimme des Abendschausprechers. Sie blieben wie angewurzelt stehen und drehten sich um.
„Und jetzt bittet die Kriminalpolizei um eine Durchsage.“
Gleich darauf erschien ein Foto von Alexander auf dem Bildschirm. „Dieser Junge ist vor drei Tagen auf Sylt am Strand bei Rantum angeschwemmt worden.“ Der Sprecher berichtete kurz die Tatsachen. „Da der Findling seitdem sein Gedächtnis verloren hat, bittet die Kriminalpolizei alle Personen, die zu einer Identifizierung beitragen können, um Anruf oder Nachricht.“ Es folgten Telefonnummern und Anschriften. Gleich darauf kam die Wetterkarte ins Bild. Sie versprach auch weiterhin Sonne.
„Du wirst allmählich bekannt wie ein Filmstar“, japste der dickliche Sputnik aufgeregt. „Es ist nicht zu fassen.“
„Laß doch den Quatsch“, knurrte Paul Nachtigall.
„Verflixt“, meinte Herr Kubatz. „Das funktioniert ja schneller, als man die Hand umdreht. Und das haben jetzt mit einem Schlag ein paar Millionen Menschen gesehen.“
Fräulein Emma
Weitere Kostenlose Bücher