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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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inzwischen beruhigt und war ein wenig nachdenklich geworden.
    Aber plötzlich brachen die beiden jungen Männer, die zuvor noch ihre blauen Rollkragenpullover angehabt hatten, in ein schallendes Gelächter aus, weil sie sich nur noch in Unterhosen gegenüberstanden. Auch Paul Nachtigall und Karlchen Kubatz hatten übrigens bereits ihre Hemden ausgezogen.
    Während sich die Kandidaten jetzt wieder ihre Blusen zuknöpften, in ihre Hosen kletterten und ihre Hemden über die Köpfe zogen, hatte sich der Mann, der sich „Psycho“ nannte, zur Rampe begeben. Er breitete die Arme aus und blickte mit seinen großen Schleiereulenaugen in das Publikum. Die Leute klatschten begeistert in die Hände, und manche trampelten sogar mit den Füßen.
    Später kam wieder Musik aus den Lautsprechern, und dann wirbelten die Araber noch einmal über die Bühne, und auch die Chinesenfamilie Chang Fing Fu hatte ihren zweiten Auftritt.
    Als sich die Glorreichen Sieben hinterher zusammen mit den anderen wieder in zwei Taxis verfrachteten, fiel plötzlich ein Schatten über Professor Stoll, der gerade als letzter einsteigen wollte. „Entschuldigen Sie, Herr Professor“ sagte eine Stimme. „Ich möchte nicht aufdringlich sein...“
    Als sich der Arzt umdrehte und dabei seinen Strohhut aufsetzte, stand der Mann, der gerade noch unter dem Namen „Psycho“ aufgetreten war, vor ihm.
    „Ich heiße Landauer“, sagte der untersetzte Mann mit den verschleierten Eulenaugen. „Albert Landauer, wenn ich mich mit meinem bürgerlichen Namen vorstellen darf.“
    „Sehr erfreut“, meinte Professor Stoll. „Sie waren toll.“
    „Besten Dank“, meinte Herr Landauer. „Aber ich sehe, Sie sind in Eile, und ich will Sie nicht auf halten ...“
    „Kann ich irgendwas für Sie tun?“ fragte der Arzt.
    „Umgekehrt vielleicht“, erwiderte der untersetzte Mann. „Es wäre möglich, daß ich Ihrem jungen Patienten helfen kann. Es wäre nicht das erste Mal, daß ein verlorenes Gedächtnis in der Hypnose zurückkommt. Ich möchte das hier in aller Bescheidenheit zu bedenken geben.“ Er holte eine Visitenkarte heraus. „Ich wohne drüben in der Pension Möwenblick und habe mir für alle Fälle erlaubt, meine dortige Telefonnummer zu notieren. Ich bin morgen während des ganzen Tages zu erreichen. Das Äußerste, was ich mir erlaube, ist ein Liegestuhl im Schatten des Hauses.“
    „Trifft sich ja vorzüglich“, antwortete Professor Stoll. „Ich erwarte morgen meinen Freund Schreiber aus Hamburg, der den Jungen untersuchen und behandeln will. Ich werde ihm von Ihrem Angebot berichten, und er soll dann entscheiden, ob wir Sie um Ihren Besuch bitten.“
    „Professor Schreiber etwa?“ fragte Herr Landauer, „ der ,kleine’ Professor, wie man ihn nennt?“
    „Sie kennen ihn also?“ erwiderte der Arzt in seinem hellen Leinenanzug ein wenig verwundert.
    „Wenn es dieser Professor Schreiber ist, den ich meine, dann müßte er sich eigentlich noch an mich erinnern“, meinte Herr Albert Landauer und lächelte. „Wir haben uns vor vielen Jahren kennengelernt. Ich halte mich also zur Verfügung.“ Er lüftete seinen schwarzen Hut und wünschte eine gute Nacht.

Ein Schildkrötengesicht schneit herein

    „Moment, natürlich erinnere ich mich noch an diesen Mann“, sagte Professor Schreiber schon eine halbe Stunde später. Er saß im Haus Seestern in einem Sessel und betrachtete im bunten Programm der INTERNATIONALEN ARTISTIK das Foto des Herrn mit dem schwarzen Smoking und den grüngrauen Schleiereulenaugen. „Psycho, Wunder der Hypnose“, las der Professor die Bildunterschrift vor. „ Also ,Psycho’ nennt sich dieser Herr Landauer jetzt. Aber er ist es. Nur dicker und auch älter ist er inzwischen geworden.“
    „Der Zahn der Zeit nagt an uns allen“, bemerkte Großmutter Kubatz.
    Als die Besucher der Artistenvorstellung vorhin wieder aus ihren beiden Taxis geklettert und ziemlich geräuschvoll ins Haus gepoltert waren, hatte eigentlich Karlchen Kubatz zuerst den neuen Gast entdeckt. Er hatte sich laut geräuspert und festgestellt: „Ich glaube, wir haben Besuch.“
    „Ja, ist es denn die Möglichkeit“, hatte daraufhin Professor Stoll ausgerufen.
    „Ich bin in der Klinik doch früher fertig geworden und hab’ dann noch den letzten Zug erwischt“, hatte Professor Schreiber geantwortet, war aufgestanden, und die beiden Herren hatten sich gegenseitig umarmt. Wobei Professor Stoll fast in die Kniebeuge gehen mußte, während sich sein Freund

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