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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Richtung. Die Touristen fotografierten durch die Gegend und riefen zwischendurch entweder „Wie schön das ist!“ oder „Herrlich, einfach wunderbar!“. Dabei näherten sie sich immer mehr dem Rand der Kuhle, wobei Karlchen Kubatz insgeheim hoffte, daß sie schon im nächsten Augenblick wieder in eine andere Richtung abwandern würden. Aber das taten sie nicht und kamen direkt auf ihn zu. Tief ins Dünengras gedrückt, blickte er sich hilfesuchend um. Aber Florian zeigte ihm nur den Rücken, weil er ja die andere Seite zu beobachten hatte, und bei dem kleinen Professor aus Hamburg war es genauso.
    Karlchen Kubatz überlegte noch blitzschnell, ob er aufspringen und wie ein Verkehrsschutzmann die Arme auseinanderreißen sollte. Aber diese Inselrundfahrer sahen nicht so aus, als ob sie sich von ihm davonjagen ließen. So blieb Karlchen Kubatz eben liegen, wo er gerade lag, und wartete nur, bis die Damen und Herren mit ihren Fotoapparaten den Rand der Kuhle erreicht hatten. Sie schnatterten fröhlich durcheinander, und gleich darauf schwiegen sie betroffen, weil ihnen ihr Reiseleiter erzählte, daß gerade dieser Teil der Insel und das ganze Dorf schon dreimal vom Sand verschüttet oder vom Meer überspült worden seien.
    Der kleine Professor riß sein Schildkrötengesicht herum und blickte vorwurfsvoll durch die dicken Gläser seiner Brille. Auch Florian hatte sich umgedreht, während Karlchen Kubatz sich nur aufsetzte, die Schultern hob und ein Gesicht machte, als ob er sagen wollte: Bedaure, aber gegen Naturkatastrophen ist man machtlos.
    Drunten in der Kuhle hatte Herr Albert Landauer zuerst seine Stellung nicht verändert. Er sah so aus, als würde er immer noch auf Alexander einsprechen. Aber jetzt schüttelte er den Kopf, stand auf und klopfte sich den Sand von seinen schwarzen Hosen. Dann beugte er sich zu dem schwarzhaarigen Jungen, faßte ihn bei den Schultern und half ihm beim Aufstehen.
    Im selben Augenblick verkündete der Reiseleiter: „Wir wandern jetzt zu unserem Omnibus zurück und fahren anschließend zum Leuchtturm nach Hörnum.“ Dabei setzte er sich auch schon in Bewegung, die Inselrundfahrer stiefelten hinter ihm her, und ihre Stimmen verloren sich wieder.
    Professor Schreiber aus Hamburg kletterte, so schnell es eben ging, von seinem Beobachtungsposten herunter. Das letzte Stück ließ er sich einfach durch den Sand in die Kuhle gleiten, und das sah so aus, als hätte er noch schnell eine Schlittenfahrt dazwischengeschoben. „Was ist?“ fragte er aufgeregt und etwas außer Atem. „Hat er Ihnen etwas gesagt?“
    „Nicht viel“, antwortete Herr Landauer leise. Er wirkte ein wenig erschöpft und hatte Schweißperlen auf der Stirn.
    „Wir waren gerade dicht an seiner Gedächtnislücke, ja, wir hatten sie schon durchbrochen, da hörten wir plötzlich diese Stimmen...“
    „Tut mir enorm leid“, sagte Karlchen Kubatz betrübt.
    „Wenn so etwas dazwischenkommt, wirkt es wie eine kalte Dusche“, sprach der untersetzte Mann mit den Schleiereulenaugen weiter, als hätte er Karlchens Entschuldigung überhaupt nicht gehört. „Der Höhepunkt einer Hypnose, das ist so, als ob ein Schlafwandler über eine Dachrinne balanciert.“ Er holte ein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Weckt man ihn plötzlich auf, wird er zwangsläufig abstürzen.“
    Professor Schreiber hatte inzwischen seinen Arm um Alexanders Schultern gelegt und strich dem Jungen jetzt durchs Haar. „Wie fühlst du dich? Ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt.
    „Ich glaube, er ist noch nicht ganz wach“, bemerkte Karlchen Kubatz.
    „Keine Sorge“, meinte Herr Albert Landauer. „In zwei Minuten ist er wieder völlig klar.“ Er blickte dem schwarzhaarigen Jungen noch einmal direkt in die Augen und sagte dabei: „Als ich ihn fragte, wie er heißt, hat er ein paarmal den Vornamen Peter genannt.“ Er wandte sich jetzt an den kleinen Professor. „Und von alten Bildern und alten Möbeln hat er gesprochen, ganz sonderbar.“ Er schien zu überlegen. „Und irgend etwas von Musik sagte er, von einem weißen Klavier, das an einem großen Fenster steht.“
    „Sonst noch etwas?“ fragte das Schildkrötengesicht erwartungsvoll.
    „Nein, das war alles“, antwortete der Hypnotiseur und fügte noch hinzu: „Daß ein Klavier in seiner Erinnerung eine Rolle spielt, ist ja keine Überraschung.“
    „Immerhin sind diese Hinweise bemerkenswert“, stellte der kleine Professor fest. „Es ist sehr

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