Der Junge aus dem Meer
letzte Zug von der Insel fährt eine knappe halbe Stunde später. Da muß es passiert sein.“
„Ich verstehe kein Wort“, meinte Kommissar Michelsen geduldig. „Aber Sie werden mir bestimmt alles genau erklären.“
„Darf ich noch etwas fragen, damit ich nachher nicht stören muß?“ Der junge Herr Lüders blickte dabei auf die Notizen, die er sich während des Gesprächs mit Professor Stoll gemacht hatte.
„Fragen Sie“, antwortete Kommissar Michelsen nachsichtig.
„Seine Eltern kommen mit der nächsten Fähre von Römö “, erwiderte Herr Lüders und machte dabei eine Kopfbewegung zu dem schwarzhaarigen Jungen hinüber. „Soll irgendwas veranlaßt werden?“
„Meine Eltern sind schon unterwegs?“ fragte Peter verwundert, und dann freute er sich: „Es ist also möglich, daß wir uns heute noch sehen?“
„Höchstwahrscheinlich“, meinte Herr Michelsen. Anschließend ordnete er an, daß die Polizei in List Bescheid bekommen sollte. „Nach der Ankunft der Fähre soll man über den Schiffslautsprecher ein Ehepaar...“ Er blätterte in seinen Zetteln und suchte den Namen.
„Grämlich“, mischte sich der schwarzhaarige Junge mit den gelben Cordhosen wieder ein.
„Besten Dank.“ Herr Michelsen nickte freundlich mit dem Kopf und wandte sich dann wieder Herrn Lüders zu. „Also, man soll ein Ehepaar Grämlich aus Iserlohn ausrufen und uns dann Nachricht geben.“
„Wird gemacht“, antwortete der junge Herr Lüders. „Ich telefoniere von draußen im Vorzimmer.“
„Hinterher kommen Sie zurück, es scheint nämlich interessant zu werden“, bemerkte der Kommissar. Daraufhin forderte er seine Besucher auf, Platz zu nehmen. „Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich vorhin so aus der Haut gefahren bin, das dürfte mir eigentlich nicht passieren, ich weiß. Und jetzt ärgere ich mich auch schon über mich selbst. Andererseits ist die Luft raus, und ich fühle mich bedeutend besser.“ Er blickte einer Zigarrenrauchwolke nach, und dann drehte er sich plötzlich nach dem schwarzhaarigen Jungen um: „Du wirbelst uns ganz schön durcheinander. Aber ich freue mich ehrlich, daß es dir besser geht.“ Dabei hatte er seine Uhr aus der Tasche geholt und legte sie auf den Tisch. „Also noch eine gute Viertelstunde. Ich bin ganz Ohr, wie gesagt. Fahren Sie ab, Herr Kubatz.“
In dem großen Zelt neben dem Baugelände flammten um diese Zeit die Scheinwerfer wieder auf. Das konnte man durch die Plastikwände genau beobachten. Die Musik spielte wieder einmal einen dreifachen Tusch, und dabei prasselte auch schon der Beifall los. Psycho, das Wunder der Hypnose, hatte gerade seinen Auftritt beendet.
Zwischen den parkenden Wagen hinter dem Zelt war inzwischen allerhand los. Die Chinesenfamilie Chang Fing Fu war in ihren Kimonos und mit ihrem Gepäck in zwei Taxis geklettert und fuhr los. Jetzt tauchte auch die arabische Springergruppe auf und beinahe gleichzeitig der junge Messerwerfer mit seinem Indianermädchen. Alle gleichfalls mit ihren Koffern und natürlich in gewöhnlichen Kleidern und Mänteln. Die Ballettmädchen mußten zur gleichen Zeit noch einmal als Schlußnummer über die Bühne tanzen.
Der Mann mit den grüngrauen Eulenaugen hatte es eilig. Er lief vom Zelt direkt zu seinem Wohnwagen; unterwegs zog er bereits seine Smokingjacke aus.
Die Glorreichen Sieben hatten sich hinter der Betonmischmaschine eingefunden.
„Es stimmt also“, flüsterte Paul Nachtigall. „Sie wollen alle noch den letzten Zug erreichen.“
„Und das gilt natürlich auch für das Eulenauge“, stellte Emil Langhans fest.
„Dann alles zum Bahnhof“, schlug Karlchen Kubatz vor.
„Bis auf dich und Florian“, warf Paul Nachtigall dazwischen. „Ihr verfolgt wieder den grauen Volkswagen, so gut es geht. Es wird schon so sein, daß er auch zum Zug fährt wie die anderen, aber sicher ist sicher.“ Dabei schwang er sich schon auf sein Fahrrad.
Als bereits die ersten Zuschauer aus dem Zelteingang kamen, knallte Herr Albert Landauer die Tür seines grauen Volkswagens zu und brauste los. Zum Glück gab es um diese Zeit noch ziemlich viel Verkehr in den Straßen; zweimal mußte er an Kreuzungen warten, weil die Ampeln genau vor seiner Nase auf Rot sprangen. Fast gegenüber dem Bahnhof bog er zu einer Großtankstelle ein.
„Was jetzt?“ fragte Karlchen Kubatz verwundert. Er stand über seine Lenkstange gelehnt und ziemlich außer Atem neben Florian hinter einer Telefonzelle.
„Er gibt den Wagen zurück“,
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