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Der Junge, der Anne Frank liebte

Der Junge, der Anne Frank liebte

Titel: Der Junge, der Anne Frank liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Feldmann
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das ist, was Patienten immer behaupten, aber in meinem Fall stimmte es.
     Als Madeleine nach dem Vorfall kam, um mich von dem Gerichtsgebäude abzuholen, sagte der Polizist zu ihr, ich hätte die Verhandlung gestört, indem ich behauptet hätte, Peter van Pels zu sein. Sie reagierte wütend, meine brave kleine Frau.
     »Was ist daran falsch? Er ist Peter van Pels.«
     »Das heißt aber noch nicht, daß er das in einem New Yorker Gerichtssaal herumbrüllen muß, meine Dame.«
     Im Auto, auf dem Heimweg, sagte sie, ich müsse wieder zu Dr. Gabor gehen. Oder zu jemandem wie ihm.
     »Ach, jemanden, der so ist wie unser Dr. Gabor, gibt es nicht«, sagte ich. Ich wollte ihr zeigen, daß ich meinen Sinn für Humor nicht verloren hatte.
     Sie fing an zu weinen. »Wenn du dich weigerst, Hilfe anzunehmen, Peter, werde ich mit den Kindern gehen. Ich schwöre bei Gott, diesmal meine ich es ernst.«
     Ich glaubte ihr. Die Erinnerungen an den jungen Mann, für den sie mich fälschlich gehalten hatte, waren verblaßt. Die Erwartungen, die sie in mich gesetzt hatte, waren verwelkt. Ich sagte, ich würde gleich am nächsten Morgen einen Termin ausmachen, und argumentierte noch nicht einmal damit, daß es sich um eine Geldverschwendung handelte. Mit mir war alles in Ordnung. Es waren Otto und dieser verrückte Schreiberling, der sich einbildete, mit Annes Stimme zu sprechen, die krank waren, sie und der Rest der Welt. Aber ich war zu erschöpft, um zu streiten. Meine Muskeln schmerzten. Das stammte von dem Zusammenstoß mit den Wachmännern des Gerichts. Meine Nerven zuckten. Ich fühlte mich völlig erschlagen. Es wäre so einfach aufzugeben. Worte stiegen in meiner Kehle auf. Da gibt es etwas, was ich dir erzählen muß… über die Jahre in Amsterdam… über Auschwitz… über meinen beschnittenen Penis. Die Unschuld würde ihre Augen trocknen, die sie nicht schließen wollen würde. Eine Flut von Angst würde ihr den Blick trüben. Ich erinnerte mich an die Scham, die ich auf Abigails Gesicht gesehen hatte, als ich sie dabei ertappte, wie sie meine Nummer anstarrte. Ich preßte die Lippen zusammen. Ich hatte mich zwar bei Gericht unverantwortlich benommen, aber ich hatte noch nicht meinen ganzen Anstand verloren.
     Anders als mein rothaariger Freund mußte Gabor sein Gedächtnis auffrischen, um wieder zu wissen, wer ich war. Er studierte eine Mappe mit Papieren, während ich auf der anderen Seite des Tisches saß und wartete. Der Tisch war noch immer überhäuft mit den Spielsachen seines Gewerbes, den primitiven Symbolen und jenen traurigen Märtyrern von Calais. Nichts in seinem Sprechzimmer hatte sich verändert, außer der Doktor selbst. Er sah wohlhabender aus denn je, aber das mochte an dem tiefglänzenden, mahagonifarbenen Farbton seiner Haut liegen.
     »Waren Sie im Süden?« fragte ich, während er die Notizen durchblätterte, die er Jahre zuvor über mich gemacht hatte.
     »Hm«, war alles, was er antwortete.
     Er schloß die Akte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, musterte mich über den Tisch hinweg mit diesem albernen Eulenblick und fragte, was mich zu ihm zurückgeführt habe.
     Ich hatte mich entschieden. Diesmal würde ich ihm die Wahrheit sagen. Er war keiner, den ich schützen mußte. Ich würde ihm alles sagen, oder fast alles. Es gab etwas, das ich nicht beichten durfte. Ich war ein amerikanischer Bürger, eine Säule der Gesellschaft, aber das bedeutete nicht, daß ich nicht doch deportiert oder ausgewiesen werden konnte.
     Ich begann mit dem Jungen im Tagebuch.
     »Glauben Sie mir?« fragte ich, als er sich alles notiert hatte.
     »Warum sollte ich es nicht glauben?«
     »Otto Frank hat es nicht geglaubt. Zumindest hat er so getan, als täte er es nicht.« Ich erzählte ihm von meinem Brief an Otto und der Antwort seiner Rechtsanwälte.
     »Vielleicht tut er gar nicht so. Nach dem Krieg, als Ihr Name nicht auf der Liste der Überlebenden auftauchte, schloß er daraus, daß Sie tot wären. Er hat mit diesem Leid sehr lange gelebt. Es könnte zu schmerzvoll für ihn sein, wieder Hoffnung zu schöpfen.«
     »Wenn sein Herz so gebrochen ist, warum hat er das Andenken meines Vaters verunglimpft? Er hat Angst zu glauben, daß ich am Leben bin.«
     »Sind Sie sich so sicher darüber, wie und wann alles geschah?«
     Ich dachte an die blonden Haare meiner Mutter und an den Schnurrbart meines Vaters. »Ich erinnere mich an die wichtigen Dinge.«
     Er schaute in seine Mappe, die er offen auf dem

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